Kampagne: Den besten Kraken sieht man nicht - Danyal Khaye

  • Nicht alle Autisten sind gleich und nicht immer ist deren Logik die allgemeine Logik - so wie beim Großteil aller Menschen deren persönliche Logik eben auch von der anderer abweicht. Emotionen nicht wirklich immer lesen zu können, bedeutet nicht, dass ihre eigene Logik nicht auch immer subjektiv ist, denn immerhin haben sie ja Emotionen, die sie eben nur nicht immer gut kommunizieren können.

    Die Betreuung im sozialen Fall obliegt der Akademie von Persuna, so es noch um die Bildung, Erziehung und Ausbildung geht und dem Bund des Einhorns in allen anderen. Über die Details musst du mit diesen Fraktionen reden, aber grundsätzlich wird kein Leben verschwendet. Jeder hat irgendein Talent und wenn wir das nicht gleich erkennen, so ist das unser Fehler und nicht der des Einzelnen, denn die Hegemonie hat logischerweise um ein Vielfaches mehr Wissen und Ressourcen als der Einzelne.

  • So ist es. Man spricht nicht umsonst vom Autismus-Spektrum. Es sind ja auch nicht alle Durschnittsblutgeborenen gleich, also auch nicht die Betroffenen irgendeiner Abweichung. Solche Kategorisierungen nützen für den Überblick, sie sind wie die Hilfslinien einer Zeichnung.

    R O L L E N S P I E L:

    Mit den Antworten zum Thema sozialer Betreuung ist er zufrieden. Er schaut aus dem Fenster, um zu schauen, ob es irgendetwas Interessantes zu sehen gibt. Bei einem Flug über das offene Meer rechnet er allerdings nicht damit.

    Hast du überhaupt Freizeit in deiner Position? Ich stelle mir das stressig vor. Falls doch - wie nutzt du die, wenn die Frage nicht zu persönlich ist?

    R O L L E N S P I E L:

    Es kann ja nicht jeder ein Langweiler wie Danyal sein, der nur Fachbücher und Sachtexte liest und zu Treffen und Veranstaltungen gedrängt, überredet und mitgeschleift werden muss, da er andernfalls außerdienstlich nicht vor die Tür gehen würde.

  • Ich bezweifle ernsthaft, dass es in einem auserwählten Volk einen Durchschnitt geben kann, wenn die gesamte Staatsphilosophie darauf abzielt, es über den Durchschnitt zu erheben. Aber wie in jeder Gesellschaft läuft das wahrscheinlich auf Angleichungen zu Normen, Werten und Gesetzen hinaus. Auch wenn die Akademie ihr Möglichstes tut, individuelle Besonderheiten hervorzuheben

    R O L L E N S P I E L:

    Er lehnt sich in seinem Sitz zurück und starrt Danyal mit einem fast schon überheblichen Lächeln an.

    .

    Da andere Blutgeborene ja sogar freiwillig einen Passagierflug verlassen in Ignoranz ob der Ketzerei an der heiligen Natur - denn eigentlich sollte dieser Flieger ausgebucht sein - wenn ich es besteige, habe ich vor allem auf Reisen immer viel zuviel Freizeit. Ab und an gibt es ein paar Mutigere, die sich daran erinnern, dass alle Blutgeborenen gleich sein sollten. Oder die nichts auf die Bedeutung meines Namens geben. Wir können den Flug auch völlig anders verbringen, ich habe da keine Präferenzen oder besonderen Abneigungen außer ich nenne sie einem anderen. Ich bin fast vierzig, habe drei uneheliche Kinder und bin ungebunden. Ich sage nicht nein, wenn du ein wenig Erfahrungen sammeln willst. Aber das ist nur eine Option, wir können auch weiter über mein Spektrum an Interessen sprechen. Wenn man so will, ist meine Arbeit ein Vergnügen, denn immerhin kann ich aktiv etwas an der Gestaltung der Zukunft bewegen. Davon abgesehen besteht mein Alltag vor allen Dingen aus Training, Lesen und Sex, Schlaf und Essen mal vorausgesetzt. Möchtest du tiefere Einblicke?

  • R O L L E N S P I E L:

    Er will gerade einwenden, dass er vom futunischen Maßstab ausgeht, dessen Durchschnitt naturgemäß in höheren Sphären schwebt, als der Shaikh das Thema für Danyal unvorhergesehen wechselt.

    Er wendet den Blick vom Fenster ab und betrachtet Faantir Grieds Gesicht. Danyal ist nicht unbedingt der Typ, um den sich die Leute reißen. So fragt er sich, wie der Shaikh nun auf die Idee kommt. Entsprechend fällt seine Antwort recht vorsichtig aus.

    Ich werde bald dreiundzwanzig, habe keine Kinder und bin ebenfalls ungebunden.

    R O L L E N S P I E L:

    Für manche ist der Beziehungsstatus gleichgültig, für ihn jedoch nicht. Er braucht nach dieser Überbrückung noch etwas länger, um sich seine Worte zurechtzulegen.

    Die Formulierung "Erfahrungen sammeln" würde es gut treffen. Von einem Parshan erhoffen sich die meisten im Bett anderes. Ich bin nicht völlig unerfahren, aber es ist kaum mehr als nichts, da es kurz darauf schon wieder in die Brüche ging.

  • Ich habe Alegon noch nie verlassen. Es gibt aber einige Orte, die ich gern mal besuchen möchte. Ich mag es interessant, drum würde ich mir gern das Bollwerk von Lathun mal ansehen und die Gruben von Eraain Nasil, die ja in Alegon liegen und mein erstes Ziel wären, würde ich eine Urlaubsreise machen wollen. Ein üblicher Erholungsurlaub würde mich vermutlich langweilen. Das Schrecklichste wäre, tatenlos an einem überlaufenen Strand herumzuliegen und zu warten, bis ich braun bin. Auf die Arbeit in Lehim bin ich gespannt, weil die Menschen und der Ort so anders sein sollen.

    R O L L E N S P I E L:

    Danyal hatte den Blick nicht wieder abgewandt.

    Ich wollte verhindern, dass du die Erwartungen zu hoch schraubst und ehrlich mit dir sein. Es gibt nichts, womit ich prahlen könnte. Die Option hört sich gut an, ich bräuchte nur wahrscheinlich ein bisschen Hilfe. Wenn dich das nicht abschreckt ... gern, Faantir.

  • Dann werde ich darauf zurückkommen, wenn wir uns mal in Alegon sehen sollten. Für eine Erfahrung im Flugzeug mit noch etwa dreißig Minuten Flugzeit bevor es zum Anflug abwärts geht, ist mir das dann doch zu dünn. Noch dazu, wenn du dann das Flugzeug mit anderen Passagieren teilen musst, die mit dir nach Hatha und eventuell weiter nach Lehim fliegen. Wenn du wieder zurück bist, wird sich sicher ein Abend in Persuna finden, der dem eher gerecht wird als ein schnelles Zwischenspiel über den Wolken. Wenn du dann geübter darin bist, auch solche Situation gut auszunutzen und Kleidung schnell zu wechseln, kann das ein anderer oder auch ich sicher testen.

    Was genau fasziniert dich an einem Berg mit einstürzenden Stollen, instabilen Höhlen und wilden Tieren? Die Gefahr? Die Chance, dort Saredash tot in einer Höhle aufzufinden, in der sie vielleicht verhungert sind, weil das die ultimative Ironie eines Todeskultes wäre?

  • R O L L E N S P I E L:

    Danyal muss grinsen und fragt sich, ob er es vermasselt hat oder ob der Shaikh von vornherein nur fragte, um ihn genüsslich abblitzen lassen zu können. Oder ob Faantir Gried tatsächlich vorhat, die Erfahrung daheim in Alegon nachzuholen. Gerade eben hat es sich zumindest noch so angehört, als wolle er tatsächlich den Flug auf diese Weise verkürzen. Vielleicht hat er aber auch nur aus Neugier gefragt, um zu sehen, wie Danyal tickt.

    Ich weiß nicht, ob ich je darin geübt sein werde, schnell zwischendurch eine Gelegenheit zu erkennen und zu nutzen. Es wird seinen Grund haben, warum mir die Erfahrung bis jetzt mehr oder weniger fehlt. Aber das ist in Ordnung, vermutlich hat das auch irgendwelche Vorteile. Falls ich irgendwann mal wieder in Beziehung bin, muss mein Partner sich zumindest keine Sorgen machen, ich wäre zu blöd, ihn zu betrügen, selbst wenn ich das wollte.

    Kleidung schnell zu wechseln, ist nicht das Thema, das lernt man in der Grundausbildung. Zielwert sind 30 Sekunden.

    Mir gefällt an Eraain Nasil die Atmosphäre des Verfalls. Solche Orte haben eine besondere Ausstrahlung und laden zum Erkunden ein. Sicher spielt auch der Nervenkitzel mit hinein und die Idee, irgendetwas Interessantes zu finden, egal wie wertlos es sein mag. Saredash dort verhungert und mumifiziert aufzufinden, wäre in der Tat witzig. Eigentlich traurig, da sinnlose Vergeudung des Lebens von Blutgeborenen, aber doch, irgendwo auch witzig. Wenn man betroffen schaut, werden sie auch nicht wieder lebendig.

    Warum verlassen eigentlich die Leute das Flugzeug, wenn du einsteigst? Ein paar, von Vorbehalten geplagt, in Ordnung, aber alle? Und warum hast du keine Personenschützer bei dir, machst du dir keine Sorgen?

  • R O L L E N S P I E L:

    Er legt bei dem ihn nahen Arm seines Nachbarn zwei Finger auf die Pulsader und streichelt sie kurz, während sich sein Lächeln kaum ändert.

    Ich sag es ja, für den Flugzeugverkehr bist du noch ein wenig zu unschuldig. Nein, dafür will ich mir ein wenig mehr Zeit nehmen. Lass mich dich formal nach deinem Auftrag einladen.

    Großteils mag die Furcht vor mir daran liegen, dass die Medien mein Wirken und Sein weit mehr ins Mythische verklärt haben als die Annahme meines Namens. Es mag helfen, dass mein Bruder und ich aus dem Nichts kommen und mehr Verantwortung in den Händen halten als manch andere - dumme Leute nennen das Macht, weil sie nicht begreifen wollen oder können, dass Willkür kein gutes Mittel zur Leitung einer Gesellschaft ist - wozu meine Stimmen im Hohen Rat, meine angeblich absolute Kontrolle über eine große Fraktion und mein Status als ehemaliger Champion und erster Großwesir kommen. Menschen lassen sich duch Titel sehr leicht abschrecken oder einnehmen. So hat ja Adel überhaupt erst begonnen. Adel begann als Kult einiger auserwählter Anführer als angeblich bessere Menschen durch den Willen der Götter. Es ist ganz natürlich, Menschen, die einem in bestimmten Bereichen unerreicht erscheinen als faszinierend zu betrachten, umso mehr wenn diese Bereiche entweder interessieren oder das eigene Leben bestimmen können.

    Auf Personenschützer verzichte ich aus persönlichen Gründen. Die ich dir nicht nennen werde, auch wenn du nachfragst.

  • R O L L E N S P I E L:

    So gesehen ist es freundlich vom Shaihk, Danyal nicht zu überrumpeln, sondern sich Zeit nehmen zu wollen.

    Auf die Einladung freue ich mich.

    R O L L E N S P I E L:

    Die winzige Liebkosung seines Unterarms entspannt ihn. Er blinzelt beinahe schläfrig, während er Faantir Gried betrachtet, gleichzeitig ist er innerlich aufgekratzt.

    Die Menschen sind nicht sehr logisch. Wenn sie dir und deinem Bruder eine mythische Macht zuschreiben, macht es keinen Unterschied, ob sie dir in einem öffentlichen Verkehrsmittel über den Weg laufen oder nicht. Es wird sie nicht retten, außer Sicht zu sein, wenn einer von euch sie ins Visier nehmen sollte. Ein Jäger schlägt zu, wenn die Beute nicht hinsieht.

  • Wir sind weit von den Jägern entfernt. Vielleicht ist es besser . . .

    R O L L E N S P I E L:

    Er senkt mit seine Stimme zu einem übertriebenen dramatischen Flüstern.

    . . . uns als Wächter zu sehen. Futunische Geschichte ist gefährlich und voller Fälschungen, weil die Wahrheit als zu schrecklich gilt, um angesprochen zu werden. Du fliegst ja über Hatha, das genau deswegen nicht gemocht wird, weil seine Gründungsgeschichte allgemein bekannt ist. Wenn man bedenkt, dass Hatha auf einem Völkermord beruht, welcher auf Grund von Perlen, deren Quelle nie gefunden wurde, stattfand, kann man sich denken wie tiefgreifend einige der Ereignisse im Kernreich waren. Kein anderes Land leistet sich einen Todeskult, der angeblich zweimal ausgelöscht wurde, und zwei Adelsverschwörungen, von denen eine offen, aber scheinbar ohne erkennbare Finanzierung beständig fortdauert.

    R O L L E N S P I E L:

    Wieder normal fährt er fort.

    Und man darf nicht vergessen, dass die Regierung meines Bruders dazu geführt hat, dass die Akademie von Persuna aus Jahrtausenden politischer Neutralität ausgebrochen ist und aktiv versucht, bestimmte Projekte in den verschiedenen Teilstaaten umzusetzen. Oder den abhängigen Gebieten, was ja direkt in deinen Auftrag einspielt. Dazu gehören auch Ausgrabungen scheinbar im Nirgendwo, mit denen sich niemand beschäftigen will, Versuche, die örtlichen Bibliotheken der Regierungen unter ihre Kontrolle zu bekommen, sowie die Konfiszierung der gesammelten Gesetzeswerke. Diese Entwicklungen werden die Zukunft maßgeblich bestimmen.

  • R O L L E N S P I E L:

    Als Wächter? Das ist eine ambitionierte Sicht. Danyal schmunzelt amüsiert.

    An mangelndem Selbstbewusstsein krankst du jedenfalls nicht.

    Die Geschichte der gesamten Welt basiert am Ende auf Fälschung und wer weiß, wie viele Leichen andere Länder im Keller haben, ohne davon zu sprechen. Die Hegemonie unterscheidet sich nur dahingehend, dass sie die Fälschung zur Kunst erhoben hat und an ihrer Vollendung arbeitet.

    Primitivere Kulturen hingegen versuchen, die ihnen gefällige Variante als tatsächliche Wahrheit zu verkaufen. Dabei genügt bloße Aufmerksamkeit, um ihre Fälschungen als solche zu entlarven. Bei jedem Regierungswechsel, und solche gibt es in den meisten Nationen regelmäßig, ändert sich die Geschichte. Was vorher Wahrheit war, wird durch angebliche neue Erkenntnisse zur Lüge erklärt. Einstige Helden werden zu Verbrechern, einstige Verbrecher zu Helden stilisiert.

    Das Schema findet sich überall auf der Welt und doch glauben die meisten Menschen außerhalb Futunas noch immer daran, dass ihre Regierungen es ehrlich mit ihnen meinen. Leider hilft jenen, welche die Lüge identifizieren, das nicht, um die Wahrheit dahinter erkennen zu können. Und falls doch, was sollen sie mit ihrer einsamen Wahrheit anfangen? Wem nützt sie? Oder ist sie nicht vielmehr schädlich?

    R O L L E N S P I E L:

    Sein Tonfall lässt durchklingen, dass er mit diesen Zuständen nicht ganz glücklich ist, auch wenn er sich bemüht, sie zu rationalisieren.

    Ich selbst bin im privaten Rahmen ein ehrlicher Mensch, ob sich das bewähren wird, muss die Zeit erweisen, aber leicht mache ich es mir damit nicht. Fairerweise muss man bei der Betrachtung des Vorwurfs der Lüge einräumen, dass auch bei gewissenhaften Bemühungen, eine objektive Wahrheit zu definieren, zwei Menschen durchaus zu drei Ergebnissen kommen können, da der menschliche Geist seine Subjektivität nie ganz abstreifen kann.

    Vielleicht ist die Mathematik die einzige widerspruchsfreie Disziplin, die je geschaffen wurde, die einzige tatsächliche objektive Wahrheit. Eine Sprache ohne Lügen, doch sie taugt nicht für die Verrichtung alltäglicher Kommunikation. Abgesehen davon bin ich furchtbar schlecht in Mathematik.

  • Ah, die Legende der futunischen Überlegenheit ist immer eine gute Ausgabe der verlogenen Ausbildung in unserer Gesellschaft. Die grundlegende Faktenlage ist wohl eher, dass wir ein wenig mehr Erfahrung bei der Verwischung der Spuren haben als andere, aber keine wirklich bessere Lösung, denn wie du ja selbst feststellst, macht eine solche Verschleierung viele Dinge eher schwieriger. Es ist schon schlimm genug, dass es für die meisten Bürger keine wesentliche Rechtssicherheit gibt, da alle Gesetzestexte gefälscht oder vielmehr gestohlen wurden. Dazu kommen Unsicherheiten beim Blutgeborenenstatus, der sowieso hanebüchen ist. An sich geht es um Abstammung, aber man musste es nach empirischen Erkenntnissen dann auch an den Glauben koppeln, da nur eine Minderheit von Menschen in der Welt keinen Tropfen futunischen Blutes in sich trägt. Das ist angesichts von Völkerwanderungen und Kontakten unabdingbar, vor allem bei über fünftausend Jahren Staatsgeschichte. Eine Einschränkung solcher Verbindungen ist umso schädlicher, vor allem wegen der Schäden am Erbgut.

    Der Rausch des Lügens um des Lügens willen gefährdet auch unser recht stabiles Erbe an Freiheiten und stellt etwa Meinungen und Freizügigkeiten in den Schatten der Ketzerei. Wo keine Verbriefung der Rechte existiert, wird die Wachfunktion des Wesirats für Kultur zur Tyrannei. Und die Verschleierungen machen die Hegemonie zur Brutstätte von Missständen. Abseits von unseren Verderbniszonen wie Tianir gibt es Gebiete wie Liragh die in der Hand von Fanatikern oder Kulten oder beidem sind. Das Netz von Geheimgesellschaften geht tief, von denen wohl die Hälfte nur Fronten anderer oder die von Fraktionen sind und das Gros dürfte auf Lügen fußen. Ein Grund, warum die Akademie so gefährlich für die jetzige Situation ist, dürfte deren Taktik sein, durch welche sie dieses System zur Gründung aufgezogen haben und dann einen Selbstläufer daraus gemacht haben, während sie die Jahrhunderte durch Wissen horteten. Sicher ist sie kein Alleinverantwortlicher, aber man kann ihr nicht trauen. Also noch weniger als man anderen überhaupt trauen kann. Du kannst dich ja mal fragen, was mit dir geschehen wäre, wenn ich keinen Hüter geschickt hätte, um in der Bruchbude von offizieller Regierungsresidenz nach dir zu sehen. Oh, es hätte dich sicher niemand körperlich beeinträchtigt, aber das Brechen des Geistes gilt sowieso als höhere Kunst und das Brechen der Seele als Meisterwerk. . .

  • Jeder Blutgeborene trägt der Definition nach den Segen der Schöpfung in sich. Wenn man deinen Gedanken fortführt, dass aufgrund von genetischem Austausch unser Blut in den Adern der ganzen Welt kreist, würde es bedeuten, dass die Hegemonie auch die Verantwortung über diese tragen sollte? Früher hat man den bloßen Aufenthalt im Heiligen Land zur Feststellung des Blutgeborenenstatus' genutzt, was die Hegemonie von der globalen Verantwortung befreit hat. Mit der Definition per Abstammung stehen die Dinge nun komplizierter.

    R O L L E N S P I E L:

    Der Gedanke, genau so wenig wert sein zu sollen wie irgendwelche Barbaren im Ausland, behagt ihm ganz und gar nicht. Danyal, der im elitären Bewusstsein aufgewachsen ist, als Blutgeborener zu den Besten der Besten zu gehören, sieht sich irritiert.

    Warum bezeichnest du die futunische Überlegenheit als Legende? Was bieten andere Länder, das hier nicht zehnmal besser ist? Und das, falls es doch besser sein sollte, von uns überhaupt gebraucht wird?

    R O L L E N S P I E L:

    Futuna ist für Danyal Dreh- und Angelpunkt der Welt und der Schöpfung, Maßstab der Zivilisation, unerreicht in seiner Erhabenheit und Würde. Hier kam die Schöpfung darnieder und nicht anderswo. Die Frage ist dennoch keine rhetorische, denn der Shaikh versteht zweifellos mehr von Politik als er. Vielleicht kann er tatsächlich ein Land nennen, in dem Milch und Honig fließen und an dem Futuna sich ein Beispiel nehmen sollte. Für Danyal ist allein der Gedanke momentan unbegreiflich.

    Oder sprichst du von einer Reformierung unseres eigenen Systems, ohne nach außen zu blicken? Ich finde, unser Rechtssystem, das sich aus unserer Abstammung von den Göttern legitimiert, durchaus sinnvoll. Selbst den Atheisten ist das Leben heilig und daraus ergibt sich alles andere, so dass es einer Verschriftlichung aller Eventualitäten nicht unbedingt bedarf. Zumindest kam Futuna bisher auch ohne diesen zusätzlichen Verwaltungsaufwand aus.

    R O L L E N S P I E L:

    Er ist etwas verstört, dass Faantir all die Dinge zerredet, die Danyal sein Leben lang als sinnvoll eingetrichtert wurden. Dass der Shaikh dabei einer durchaus schlüssigen Argumentation folgt, macht das Ganze nicht leichter verdaulich. Danyal bemüht sich, seine Ausführungen zu verstehen. Da er den Shaikh als intelligenten Menschen einschätzt, muss sich irgendwo ein Sinn finden lassen.

    Ich schließe daraus, dass dein Anliegen darin besteht, bürokratische Ordnung zu stiften? Unsicherheiten durch Verschriftlichung zu minimieren, Verlässlichkeit zu generieren und so die Transparenz und Effizienz des Staatsapparates zu fördern? Und die Geheimgesellschaften zu entwurzeln? Oder verstehe ich dich völlig falsch?

    Was wäre denn geschehen, hättest du keinen Hüter geschickt? Abgesehen davon, dass ich von berauschten Studenten in meiner Ruhe gestört wurde und irgendwer unbefugt Zugriff auf mein Datenpad nahm. Das Zeitfenster wäre ohne die Anwesenheit von Thar nicht wesentlich größer gewesen. Und warum sollte die Akademie überhaupt ein Interesse daran haben, den Geist oder die Seele eines wildfremden Parshans zu brechen? Perfiden Spieltrieb lasse ich als möglichen Grund bei einer ganzen Fraktion einmal außen vor.

  • Ah, das mangelnde Zuhören ist zurück. Wie ich gesagt habe, war die reine Abstammung der frühere Stand. Heute muss auch die Religion stimmen, um den Status als Blutgeborener zu behalten. Wie auch immer du das in deinem Kopf andersherum gedreht hast. Und wer wirklich überlegen ist, der muss das nicht ständig betonen, er beweist das durch seine Taten. Sicher ist die Hegemonie in vielen Dingen weit voraus, vor allem was Freiheiten, Umwelttechnologie und die Einführung neuer Technologien betrifft. Allerdings heißt dies nicht, dass Innovation nicht auch von anderer Seiten kommen konnte. Jeder Mensch trägt die Gabe des schaffenden Geistes in sich und jeder kann neue Wege beschreiten und manchmal auch schaffen.

    Und nein, ich bin sicher kein Bürokrat. Im Gegenteil halte ich die überbordende Bürokratie für eine Fessel, unter der viele Futunen gelitten haben. In diese Breche hat Afaslizo al-banabi mit seinen Reformen geschlagen, um den Wasserkopf zu kürzen und Korruption zu mindern. Eine Frau namens Kaya Saif ist dafür verantwortlich, dass es heute moderne Netze und Infrastruktur gibt, um den Aufwand weithin zu reduzieren. Leider kam sie danach auf die Idee, Aszanah zu gründen und das ist nicht gerade dafür bekannt, die Probleme zu verringern. Ich habe das Großwesirat geschaffen, um durch das Gestrüpp an Bürokratie zu schlagen und mein Bruder hat euch Agenten rekrutiert, um die vielen Probleme durch Jahrhunderte der Misswirtschaft an der Bürokratie vorbei zu lösen. Durch deine Arbeit hilfst du also auch, den Futunen viele Freiheiten und Sicherheiten zurück zu geben. Wenn du diese Arbeit verrichtest und damit Erfolg hast, dann beweist du damit wirkliche Überlegenheit.

    Was nun dein mögliches Schicksal angeht, so lasse ich dich das selbst herausfinden. Du bist ja auf einer Expedition mit der Akademie. Frage sie, wenn du das für richtig hältst.

  • Die futunische Überlegenheit ist für mich keine Legende, sondern Fakt. Ich spreche nicht von mir als Einzelperson, sondern von den futunischen Volksstämmen in ihrer Ganzheit. Man muss kein Soziologe zu sein, um unsere Überlegenheit zu erkennen, man braucht nur vor die Haustür zu treten und sich umzuschauen. Dass einzelne Innovationen gelegentlich auch von außen kommen können, mag sein, schließlich haben wir unser Genom überall verbreitet.

    Die letzten großen Probleme werden momentan auf breiter Fläche in Angriff genommen, wie du sagst. Ich bin stolz darauf, als Agent einen kleinen Teil dazu beitragen zu können. Futuna lebt und atmet, es entwickelt sich und lernt, andere stagnieren und gehen unter. Wir sind dem Rest der Welt in jeder Hinsicht überlegen. Ich sehe keinen Grund, unser Licht unter einen Scheffel zu stellen.

    Die Akademie werde ich natürlich fragen, wenn sie mir begegnet. Mal sehen, was sie sagt.

    R O L L E N S P I E L:

    Und ob sie ihm danach zur Strafe wieder eine Orgie auf den Hals hetzt oder was sie sich diesmal einfallen lässt, um ihn zu geißeln.

  • R O L L E N S P I E L:

    Er stößt ein kurzes Lachen aus bevor seine Miene wieder unverbindlich wirkt.

    Sehr gut, du hast also Humor. Aber für den Fall, dass das ernst gemeint war, so lasse ich dich bei deiner Arbeit schauen, wie lange und ob du diese Einstellung beibehalten kannst.

    Wie ist denn deine Meinung zu den Fraktionen? Solche Einblicke zu bekommen ist immer interessant.

  • R O L L E N S P I E L:

    Danyal runzelt die Stirn, als der Shaikh über seine Ausführungen lacht.

    Meine Worte sind ernst gemeint. Ich kenne kein Argument, was gegen die futunische Überlegenheit spricht. Wer weiß, was die Zukunft bringt, aber ich bin eher pessimistisch ob der Möglichkeit, dass ich eines Tages deine Einstellung teilen werde.

    R O L L E N S P I E L:

    Er ist nicht einmal sicher, ob dies wirklich die Einstellung von Faantir ist, oder ob er ihn auf den Arm nimmt. Warum sollte der sich als Shaikh von Alegon engagieren, wenn ihm Futuna doch unwert vorkommen würde? Nein, das kann nicht stimmen.

    Meine Meinung zu den Fraktionen ist nicht sonderlich fundiert, da ich als Einsatzkraft meinem Dienstherrn verpflichtet bin. Seinem Befehl gilt mein Augenmerk. Erst war mein Dienstherr das Futunische Oberkommando in Tzaris, momentan ist es dein ehrwürdiger Bruder. Doch wer weiß, wo ich landen werde, falls er mich leid ist? Mit politischen Einschätzungen muss ich daher Zurückhaltung walten lassen. Das hat etwas von einem Söldner, gilt aber für viele Parshans.

    Der Grund ist ein ganz pragmatischer: Ich möchte mir viele Wege offen halten. So lange, bis ich jenen Weg gefunden habe, den ich bis zum Ende gehen will, um mich fortan auf Gedeih und Verderb an einen Dienstherrn zu binden, den ich nie mehr verlasse, es sei denn liegend in einem schwarzen Sack. Ob es je dazu kommen wird, steht auf einem anderen Blatt.

  • Es ist ein wenig schade, dass du Überlegenheit als etwas Statisches begreifst und nicht als etwas, das ständig erneut bewiesen werden sollte. Aber das ist deine Sache. Ich halte nichts davon auf Überlegenheit zu beharren, sondern sie vielmehr immer wieder zu beweisen. Auf einem Zustand festzusitzen wird weder die futunische Zivilisation voranbringen noch die Zweifler überzeugen. "Das war schon immer so" wirkt schon beim ersten Mal fad und inhaltslos.

    Wie hast du es denn mit Atheisten? So als letzten Punkt, denn wir dürften bald zur Landung ansetzen.

  • Dass unsere Überlegenheit statisch ist, wollte ich nicht ausdrücken. Ich halte im Gegenteil beständigen Fortschritt für essenziell. Aber die Futunen haben zweifelsfrei das größte Potenzial von allen Völkern und haben gelernt, es zu nutzen. Darum sind wir, was wir sind. Unser Ziel sollte sein, überlegen zu bleiben und das bedeutet, wie du richtig feststellst, beständige Optimierung. Nicht von ungefähr ist Upinash mir am nächsten unter den Kadahra Medala.

    Ich selbst ehre die Götter und meine Eltern haben mich im Sinne des Tempelkults erzogen. Atheismus ist eine Weltsicht, die sich rein an wissenschaftlichen Fakten orientiert. Auch für den Tempelkult schließen sich Wissenschaft und Glauben nicht gegenseitig aus. Man darf nicht vergessen, dass auch die Geistes- und Religionswissenschaften akademische Disziplinen sind. Ich persönlich kann die Weltsicht der Atheisten nachvollziehen, mir tut es aber manchmal leid, dass die Welt für sie so kalt und tot erscheinen muss. Dass sie den göttlichen Funken der Schöpfung nicht spüren können.

    R O L L E N S P I E L:

    Sein Blick schweift aus dem Fenster, als die Erinnerung ihn plagt. Hätte Ghazi Respekt vor der Schöpfung gekannt, wäre er nicht in Hassakur gelandet. Es gibt niemanden, an den er in diesem lebensfeindlichen Ort seine Gebete richten kann und er verschließt sein Herz gegen jedwede Hoffnung. Düster und voll Bitterkeit ist seine Welt und Ghazi kämpft all seine Kämpfe allein. Danyal fragt sich, ob Atheisten ein bestimmter Sinn fehlt oder ob sie bewusst ihre Herzen verschließen, weil sie nicht spüren wollen, was sie nach ihrem Verständnis nicht spüren dürfen.

    Wie stehst du zum Atheismus, Faantir?

    R O L L E N S P I E L:

    Er blickt wieder zu seinem Sitznachbarn herüber.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!