Kampagne: Den besten Kraken sieht man nicht - Danyal Khaye

Die Lektüre ist anscheinend weder Märchenbuch noch rein historische Betrachtung einer einzelnen Person als eine Analyse verschiedener als Hexen identifizierter Gestalten in der Geschichte. Trotz der Mittagssonne, welche in die Fenster des Archivs scheint, mag es auch ein wenig gruselig sein. So ist eine der analysierten Hexen nur als Xa bekannt, lebte im Alegonischen Weltreich und war für die Fähigkeit bekannt an mehreren Orten zugleich zu sein. Dann las er später von einer Hexe, welche der Shaikh von Banaba ausschickte, um die tarawarischen Stämme zu unterwerfen. Diese wurde Ishtar benannt und war ganz und gar von Narben verunziert. Schließlich trat bei Gründung des einheitlichen Futuna eine Hexe namens Zaide auf, um die streitenden Parteien an den Tisch zu zwingen und sie einzuwickeln. Aber auch andere seltsamen Hexen traten auf, um Archive zu sichten, schrille Prophezeiungen der Mahdia zu deuten und für angenehme Umstände zu sorgen. Schließlich mündet das Ganze in der Frustration über die Zensur bei der Hexe von Enda'ar, der angeblich bedeutensten Hexe von allen, welche die Grenze zwischen Leben und Tod durchstoßen konnte. War sie jetzt eine besonders gute Ärztin? Eine begabte Lügnerin? Im Schlusswort findet sich ein Interview mit der Nachlassverwalterin des Autors, die von seinem bedauerlichen Hinscheiden im Alter von nur 47 Jahren sprach, wobei der Mann ja stabil wie ein Büffel wirkte.

Also das ist nun wirklich merkwürdig. Es scheint ganze Hexendynastien zu geben, oder vielleicht ist das vergleichbar mit den Sonnenpriestern von Khadesh, die in unendlicher Abfolge immer wieder denselben Namen und dieselbe Kleidung tragen. Er fragt sic kurz, was mit den Leichen der Verstorbenen geschieht, da der Tod eines Sonnenpriesters ja nie offiziell vermeldet wird, dann ist er wieder bei seinem Buch. Xaxai Anwar erweckt ja auch manchmal den Eindruck, an mehreren Orten zugleich zu sein, was allerdings völlig unmöglich ist, während man für die anderen Erscheinungen mit etwas Fantasie noch eine Erklärung finden mag.

Noch erstaunlicher ist, dass ihm dermaßen viele bedeutsame Hexen, beziehungsweise Hexen, die jenen ähneln, auf einen Haufen begegnet sind.

Was genau geschieht hier eigentlich? Worin ist Danyal verwickelt? Und war es Zufall, dass dieses Buch so auffällig präsentiert auf ihn wartete? Er überlegt, was er mit diesen Informationen anfangen soll. Könnte er sich doch nur mit Thar beraten. Er macht sich ein paar Notizen und fotografiert einige Seiten mit seinem Datenpad ab, dann nimmt er ein Buch über Fische und verzieht sich wieder ins Bett, wo er noch eine Weile liest, ruht und vor sich hin deprimiert, ehe er für einen Mittagsschlaf eindöst, das harte, sperrige Fischbuch im Arm.

Vielleicht weckt ihn der Hunger oder der Geruch des Ozons kurz vor dem nachmittäglichen Regen, aber irgendwann wird er dann doch wieder wach, wobei ihn das Bild von einem Schwarzstreifenwels begrüßt, der in den Küstenregionen Lehims nach kleinen Grundwesen hascht und als Delikatesse gilt. Diesmal hat er nicht von irgendwelchem Irrsinn geträumt, aber vielleicht kann er sich auch einfach nicht daran erinnern.

Dieser schöne Wels ist leider, wie alle Speisefische, zu groß für das Aquarium, stellt Danyal fest. Aber es gibt ja genügend kleine Welsarten. Er räkelt sich noch eine Viertelstunde faul im Bett und schreibt Tiam eine kurze Nachricht, ehe der Hunger ihn aus den Federn treibt. Erneut spaziert er in Richtung Dach, um sich dort am kalten Buffet zu bedienen.

Das ist durch ein inzwischen heißes ersetzt worden - und scheinbar hat Danyal gerade andere Bewohner verpasst, denn dort ist eindeutig gegessen worden, auch wenn man dies nur erkennen kann, indem man die fehlenden Inhalte der verschlossenen Speisebehälter überprüft. So gibt es heiße Fischsuppe, dampfendes gefülltes Brot, mit Wurzeln eingeriebene Ente, Muschelmoussaka und Obstcremetorte.

Obstcremetorte! Danyal bedient sich großzügig an den Resten und schleppt alles an einen der Tische. Er schaut, ob sich auch noch Obst zum Knabbern finden lässt, um sein gewissen ob der Schlemmerei zu beruhigen, und was zu trinken.

Die Getränke entdeckt er, das Obst wurde indes wohl schon von den schnelleren Personen verputzt. Es gibt Tee aus dem Kernreich, Kaffee, Kakao, Säfte und Kokosmilch.

Da muss es wohl bei der Torte bleiben. Danyal nimmt sich Tee und Kokosmilch, dann lässt er es sich in aller Ruhe schmecken, um die Zeit zu vertreiben, bis Zaina sich wieder um ihn kümmern kann.

Irgendwann beginnt dann der Regen, dann tropisches Tagesregensturm und das entsprechende Gewitter. Da ist das Essen schon längst alle und Danyal satt. Und nun sitzt er hier wohl eine Weile fest, außer er will sich durch den Regen zur Treppe zurückkämpfen.

Danyal kümmert sich schon eine Weile um sein neues virtuelles Aquarium. Gerade wischt er mit dem Zeigefinger über das Display seines Datenpads, um die Scheibe von Algen zu reinigen. Der Regen reißt ihn aus dem Spiel und erinnert ihn an die verstrichene Zeit. So beendet er die digitale Aquarienpflege und ruft Zaina an.

Er legt auf und macht sich auf den Weg. Die Kleidung, die er wählt, ist schlicht, bequem und hat dunkle, gedämpfte Farben. Es ist Kleidung, die zu seinen Turnschuhen passt, denn er will bequem laufen können, wenn er schon keine Einsatzstiefel tragen darf. All das ging recht fix und so muss Zaina nicht lange auf seine Ankunft warten. Er hat sogar, untypisch für ihn, seine Haare ein wenig strubbelig hochgegelt und nicht wie sonst, die Haare mit dem Gel in einer ordentlichen Vorzeigefrisur fixiert, damit er mehr wie ein Zivilist aussieht.

Zaina selbst trägt einen gut geschnittenen weißen Damenanzug - weiß, auch wenn es keine Farbe ist, scheint ganz ihre "Farbe" zu sein. Sie sieht auch wesentlich fitter aus.

Sie schreitet zum Wagen und lässt sich auf den Fahrersitz gleiten. Sobald Danyal zugestiegen ist, geht es aus dem Anwesen in das eher ruhige Berghangviertel mit vor allem Familienhäusern, dann in die doch sehr belebten Stadtviertel. Die Architektur ist anders als vom Kernreich gewohnt, denn dort wird der Platz meist bis zum Letzten ausgenutzt, wobei hier alles ein wenig weitläufiger erscheint. Auch sind die Fassaden eher lässig, denn auf Aussehen und Prunk getrimmt. Es gibt viel mehr Spielereien und auch gewagte Farbkombinationen. Auch die offiziellen Gebäuden wirken mehr bescheiden. Vor einem solchen, einem fünfstöckigen Gebäude aus dunklen Vulkanstein mit schimmernder Nachbearbeitung und breiten Glasfronten, das von sich auf Alegonisch oder einer für Danyal sehr ähnlich scheinen Sprache behauptet, die Stadtverwaltung zu sein, kommt der Wagen zu stehen und Zaina scheint gerade noch den vorletzten Parkplatz erwischt zu haben. In der Nähe stehen weitere Regierungsbauten wie das Stadtarchiv und der örtliche Gerichtshof.

Danyal nickt. Er versucht ja auch artig, sich zu schonen. An regelmäßige Mahlzeiten muss ihn normalerweise auch niemand erinnern, er hat meist schon zwei Stunden vorher Hunger und leidet, weil er so lange warten muss. Bei der Fahrt durch die Stadt schaut er neugierig aus dem Fenster. Er wartet, bis Zaina den Motor ausgeschalten hat, dann will er aussteigen.

Diese stellte sie dann auch aus und stieg aus dem Auto auf den Vorplatz zum Gebäude.

Danyal gesellt sich zu ihr.