Minkampagne: Im Schatten der Mühlen fliegt der schwarze Phönix - Tiam Torabi

Keine Sorge, ich werde dich damit nicht behelligen. Außer du willst mich auf der Suche begleiten. Ich suche ja auch einen Schatz, der am Ende wartet. Und einen Drachen. Alles nichts, was dich betreffen muss. Und warum sollten wir uns eine Bank suchen? Wir können einfach auf Gleis 3 in den Zug steigen. Der fährt dort in zwanzig Minuten los. Wir haben ja reserviert.

Was heißt behelligen? Ich habe aus Interesse gefragt. Ein spukendes Dreibein ist schon ungewöhnlich.

Aber es würde dich wertvolle Zeit kosten, in welcher du im Luxus schwelgen kannst. Willst du das dafür aufgeben?

Guck mal, erste Klasse, nur für uns. Was habe ich davon? Eine neue Erfahrung. Luxus ist der Katalysator für Spaß. Ich will das Geld nicht horten, sondern mich amüsieren. Mir ist ständig langweilig, ich kann nichts dafür, ich wurde so geboren. Es ist ein regelrechter Fluch! Aber wenn ich Spaß auch kostenlos haben kann oder sogar noch dafür bezahlt werde, dann benötige ich keinen Luxus. Wie oft begegnet man schon jemandem, der voll innerer Überzeugung ein spukendes Dreibein sucht, um innere Weisheit zu erlangen?

Lööö... Lee-uwniss. Wie spricht man das aus?

Die Suche ist sicher ein guter Schritt zur Weisheit. Aber nur wenn man sich Zeit gibt, das Erlebte auch zu begreifen und zu verstehen. Wenn es nur um Eindrücke geht, wirst du deinen Hunger nie stillen können. Damit wirst du weder je zufrieden noch glücklich werden. Aber gut, vielleicht kann dich ja der Schatz von einem neuen Weg überzeugen. Wir suchen zuerst das Land der mal sieben, mal acht Mühlen. Wenn wir das gefunden haben, sehen wir weiter.

Wollen wir dann?

Siehst du, da geht ein Punkt an dich. Die Langeweile ist allgegenwärtig und überkommt mich binnen Sekunden, wenn ich nichts mache. Wonach hungere ich also überhaupt? Sinnesreize? Tatendrang? Keine Ahnung, es wir ja durch nichts besser. Vermutlich auch nicht durch Weisheit. Wahrscheinlich lachst du dich in Wahrheit über mich kaputt, aber ich werde dich bei deiner Suche nach dem Schatz ein Stück begleiten. Wenn die sich als beidbeiniger Hüpfer ins Klo erweist, bin ich immerhin um eine Erfahrung reicher. Man lebt nur einmal! Vorher will ich aber eine Bleifabrik besichtigen.

Ja, gehen wir! Ob es einem Loden gelingen würde, 'Masa al'hrem' zu sagen?

Bestimmt auch das, aber wir können es sicher darauf ankommen lassen. Die Erfahrung lehrt, dass die besten Leute, welche die eigene Sprache in einem anderen Land sprechen, irgendwelche Nachrichtendienstler oder sonstige Observationsbeamte sind. Daher hier die Frage: Wie sieht es mit Tarawari oder Alegonisch bei dir aus? So könnte man sich auch unter Observation im Notfall unterhalten. Im Zweifelsfall ist auch Chinopisch gut, aber das könnte man auch kennen, wenn wohl vielleicht nicht gleich perfekt.

Zieh dich in Ruhe um. Warum du eine Bleifabrik mit all ihrem Gift betrachten willst, kannst du mir ja später gerne erklären.

Na, eben genau wegen des Giftes! Ich will mir die Verpestung ansehen. Auf Khadesh bin ich mal über ein Glutbett gelaufen, das war auch spannend, die machen das regelmäßig und tanzen in irgendwelchen Ritualen, die keiner versteht, durchs Feuer. Ah, dieser Teil der Delegation ist sehr praktisch!

Seide, feinste Seide, ein verpuppter Schmetterling. Ich hoffe, in diesen schicken Klamotten muss ich nicht wandern, das wäre ja eine Vergeudung, und außerdem nachts sehr kalt. Eine Vergeudung ist auch der Verlust meines edlen Schuhwerks.

Alegonisch beherrsche ich übrigens fließend. Für Hochliteratur genügt es nicht, aber für den Alltag. Ich war in Tzaris stationiert, wo recht viele Alegonen herumhüpfen, und mein bester Freund ist auch Alegone. In Tarawari bringe ich nur ein paar Floskeln heraus, Grußformeln und so was. Vom Fremdsprachenunterricht in der Schulzeit ist nicht wirklich etwas hängen geblieben.

Man muss nicht in den Vulkan springen, um zu wissen, dass er tödlich ist. Blei ist giftig für Lunge, Haut und Haar. Und für die heilige Natur. Wann warst du denn auf Khadesh? Und Alegonisch reicht. Das versteht dort auch keiner.

Da hast in deinem Abteil ja noch Platz, wenn du wirklich jemand findest, der deinen Heiratsantrag annimmt. Oder Bedürfnissen nachgeht.

Aber ich möchte die Bleifabrik dokumentieren, mir alles zeigen und erklären lassen, besonders, wenn sie in Grenznähe liegt. Auf Khadesh war ich in meinem letzten Urlaub, bevor ich den Streitkräften beigetreten bin. Das war während der Feuerregatta. Es ist dort warm und ich habe Khadesh nur mit einem Rucksack ausgerüstet besucht und im Freien übernachtet. Ohhh, was für schöne Zähne du hast!

Wenn ich in ein paar Jahren noch so viel Biss habe und glücklich verheiratet bin, ist meine Welt in Ordnung! Aber immerhin, Zwei von Dreien haben meinen Heiratsantrag bislang nicht abgelehnt und mich auch noch nicht für ein ernstes Wörtchen beiseite gebeten. Ich schätze, das ist die Ich-muss-darüber-nachdenken-Phase. Steht mir das hier?

Sicher, deine Haare und die Nase bieten einen guten Kontrast. Ich glaube allerdings nicht, dass dich die Männer ernst genommen haben. Dazu war es doch ein wenig zu absurd in der Situation. Heirat ist ja eine sorgfältig abzuwägende Angelegenheit, wenn man sich nicht permanent langweilt. Und Khadesh ist kälter als das Kernreich jenseits der Steppe von Banaba in der Nacht. Aber interessant, einen anderen Blick auf die Feuerinseln zu bekommen. Die meisten Leute wollen da nie drüber reden.

Ich weiß nicht, ob man immer alles sorgfältig abwägen muss. Am Ende passieren eh lauter Dinge, auf die man keinen Einfluss hat, streitet sich und lässt sich wieder scheiden. Die beste Abwägung nützt da nichts. Also kann man die nervige Planungsphase und das monatelange Beschnuppern auch weglassen und sofort die Schmetterlinge im Bauch genießen und die Flitterwochen.

Auf Khadesh ist es nicht kalt, wenn man sich nahe der natürlichen Feuergruben hält, oder warmen Basalt zum Schlafplatz auswählt. So schlimm ist Khadesh gar nicht, wenn man sich nicht an Galashpriestern und zahllosen Kriegsschiffen stört. Es ist sogar ziemlich bunt. Bist du eigentlich wirklich Opa?

Keine Ahnung, das habe ich so nicht erlebt. Ich bin Witwer und hatte nie den Wunsch, mich groß zu streiten oder zu scheiden. War das bei deinen Eltern denn der Fall oder wie kommst du auf diese "Gewissheiten"?

Und wer sagt, dass Khadesh schlimm ist? Die meisten Leute reden da gar nicht drüber. Über Hatha flucht man dagegen ständig. Oder Khotso.

Und bist du eigentlich wirklich Agent?

Meine Eltern gingen sich gegenseitig nur auf den Keks. Ich ihnen auch und sie mir ebenfalls. Alle haben sich gegenseitig genervt. Da kommt man doch gern nach Hause, oder? Sie blieben nur zusammen, weil sie meinten, das sei gut für mich. Was natürlich Blödsinn ist.

Da halte ich es für klüger, sich auf die guten Dinge zu besinnen und die unguten einfach wegzulassen. Und klar bin ich wirklich Agent. Das sieht man doch an diesen tollen Seidenkleidern.

Alles klar, das verstehe ich dann eher. Allerdings ist das eher die Minderheit und nicht die Norm. Jedenfalls lehrt mich das meine Erfahrung. Was haben deine Seidenkleider damit zu tun? Die hast du doch an, weil du die Barbaren blenden sollst. Willst du noch etwas essen auf der Fahrt? Wir sollten in anderthalb Stunden am Bahnhof bei den Loden sein.

Essen? Klar, sonst wird einem langweilig bei der langen Fahrt. Es sei denn, du findest Freude daran, dich anderthalb Stunden mit mir zu unterhalten. Also eigentlich kenne ich überhaupt keine Ehe, die auf Dauer glücklich wirkt. Aber vielleicht haben wir zwei einfach unterschiedliche Vorstellungen von Glück?!

Na ja, ich würde die Barbaren nicht blenden müssen, wäre ich kein Agent, oder? Manche tarnen sich als graues Mäuslein und ich tarne mich als irgendwas Reiches und Wichtiges. So errät keiner, dass ich wirklich reich und wichtig bin.

Ich habe kein Problem mit längeren Gesprächen. Vor allem könnte ich dir von Dutzenden glücklichen Ehen erzählen. Sie mögen nicht jeden Tag erfüllt sein, aber am Ende überwiegt die Zufriedenheit. Welcher Blutgeborene ist denn nicht reich und wichtig?

Punkt für dich. Nur was die glücklichen Ehen betrifft, nehme ich die Dinge anders wahr.

Du bist allerdings auch sehr viel jünger und hast vielleicht auch noch nicht soviel gesehen. Was wollen wir denn an Essen bestellen? Fisch, Fleisch, Obst oder Wurzeln? Am Ende lassen sich die meisten Speisen auf eine der Zutaten runterbrechen und zusammenfassen, egal wie lecker die Variation sein mag.

Klar, vielleicht ändert sich das mit den Jahren. Wer weiß! Es wäre großartig, würde ich mich irren! Wer wünscht sich nicht insgeheim eine glückliche Ehe? Zu Essen hätte ich gern etwas handliches, das nicht kleckert und nicht schmiert, da ich so geistesgegenwärtig war, mich schon umzuziehen. Na ja, aber immerhin muss ich dann nicht vor den Loden blankziehen. Im barbarischen Ausland nehmen einem das manche Leute übel, selbst bei so attraktiven Menschen wie mir.