Kampagne: Den besten Kraken sieht man nicht - Danyal Khaye

Sie betreten eine weitläufige Eingangshalle mit Rolltreppen in die oberen Etagen und einem virtuellen Springbrunnen, der in die Mitte des Raumes projeziert wird. So verschwendet man nicht sinnlos wertvolles Wasser. Angesichts des Verkehrs verstummt Zaina und hält keine weitere Ausführungen. Sie nimmt eine Treppe nach oben und geht sehr offensichtlich an der Auskunftsstelle für logistische Fragen vorbei, dann über eine Veranda in einen ruhigen Dachgarten, dann durch eine kleine Seitentür, die sicher nur für Personal bestimmt ist zielgerichtet an anderen Angestellten vorbei in den dritten Flur von rechts und dort zu einem Büro, an welchem die Digitalanzeige "Ghani Dabarranakh, heute Heimbüro" anzeigt. Dann hält sie sich dort einen Moment auf und geht dann ebenso ruhig und bestimmt den gleichen Weg wieder zurück. Wahrscheinlich glaubt man nach dem Verhalten, sie wäre dazu berechtigt.

Danyal geht in der Tat davon aus, dass sie sich hier auskennen und irgendwie dazugehören würde. Brav dackelt er neben ihr her, schaut sich alles an, was Zaina anschaut, prägt sich alles ein und begleitet sie dann wieder nach unten zur Eingangshalle mit dem virtuellen Springbrunen.

Nach dem Gang dort zum Fahrstuhl geht es in eine sonnige Halle mit Vitrinen, Kästen und digitalen Ausleiheverfahren.

Danyal begleitet Zaina auch auf diesem Weg und betrachtet aufmerksam die Umgebung, insbesondere, was sich den Vitrinen und Kästen befindet.

Sie machen sich auf den Weg durch einen großen Garten mit einer unzähligen Anzahl kleiner Zierfischteiche in allen möglichen Formen und Farben. Einige hat Danyal schon in einem der flüchtig überflogenen Fischbücher gesehen. In der Ferne ragt ein ungewöhnliches Gebäude über Bäume und Häuser: Es sieht aus wie ein Krake, der ein Muschelhorn bläst. Ein Jongleur unterhält in der Nähe einige Kinder. Es ist extrem friedlich.

Sie kommen nur langsam voran, da Danyal an jedem Teich stehen bleibt, um die Fische zu betrachten. Vorsichtig kniet er nieder und hält eine Hand ins Wasser, um zu fühlen, wie die Fische daran herumknabbern.

Sie wirkt wie eine geduldige Mutter, die auf ihr übereifriges Kind wartet. Und natürlich wie frisch vom Laufsteg.

Danyal seinerseits genießt die Stunden, in denen er sich erholen soll, so gut man die Dinge mit Liebeskummer im Herzen eben genießen kann. Er versucht sich abzulenken, konzentriert sich auf die kleinen Dinge des Tages, die ihm Freude machen, wie eben diese Fische in den idyllischen Teichanlagen. Lange wird er das nicht können, dann hat ihn der brutale Agenten-Alltag wieder, in dem jeder ihm nach dem Leben trachtet. So sind diese Stunden besonders wertvoll.

Nachdem er sich genug beknabbern lassen hat, wobei ihm hin und wieder ein Fisch zutraulich in die Handfläche schwamm, richtet er sich wieder auf, wischt die Hand an der Hose trocken und flaniert weiter mit Zaina durch die Stadt.

Schatten 4, Licht 1: Das Thema scheint ihr unangenehm oder nervig zu sein. Will Danyal da genauer nachhaken?

Sie führt ihn aus dem Garten heraus auf eine Klippe, an dessen Ende getragen von gewaltigen Stelen das Aquarium in Form des Muschelhorn blasenden Kraken sitzt. Überall sind Korallen und Seeigel als weitere Gebäude und Anhängsel. Auf eine dieser Korallenformationsgebäude hält Zaina zu. Die salzige Meereslust vermischt sich mit dem Dampf gebackenen Fisches und würziger Muschelsuppe.

Danyal hakt nicht nach. Wenn sie das Thema nicht besprechen will, wird sie das noch weniger tun, wenn er sie weiter damit bedrängt. Er begleitet sie in das faszinierend geformte Restaurant und ist gespannt auf das, was das Aquarium an Tieren bereithalten wird.

Sie betreten das Restaurant durch einen Fahrstuhl im Innern eines Krakenarms. Das Innere ist um den runden Fahrstuhl herum mit einem reifenförmgigen Aquarium ausgestattet. Es gibt als einzige Lichtquelle die prachtvollen leuchtenden Fische und lumoniszierenden Qualen und Korallen. Diese tauchen die Fahrt in ein Kaleidoskop von Farben. Schließlich öffnet sich das Fahrstuhl an einer atemberaubenden Aussicht: Das Restaurant ist in der Muschel, in welche der Krake bläst! Im einem großen Becken in der Mitte räkelt sich ein wesentlich kleinerer Krake und scheint Danyal mit seinen Armen zu winken. Sind die Spitzen seiner Arme rot? Das Restaurant ist fast voll besetzt, aber nach drei Worten von Zaina haben sie einen kleinen Tisch abseits vom Trubel mit Aussicht über die Stadt und einen Teil der Bucht bekommen. Der Abend dämmert ganz leicht heran. Etwas Seegras wird gebracht, doch es stellt sich als Salat heraus, der nur so zurechtgemacht wurde.

Danyals Stimme klingt freundlich und sein Blick wirkt leicht schläfrig, nachdem er sich niedergelassen hat. Das liegt nicht an Müdigkeit, sondern daran, dass er sehr entspannt ist. Nachdem die Bedienung verschwunden ist, lässt er sich das vermeintlche Seegras schmecken, den Blick auf die beginnende Abenddämmerung gerichtet.

Sie wendet sich an eine Bedienung und meint zu ihr freundlich.

Nach nur etwas Wartezeit wird eine dampfende Schüssel vor Danyal abgesetzt. Sie gibt den Geruch von Meer von sich in einer Art, wie er ihn noch nie wahrgenommen hat. Salzig, aber auch wild und gefährlich, dennoch einladend und voller verborgener Geheimnisse. Die Suppe ist von einer seltsamen Konsistenz und anders als alles, was Danyal je an Fischgerichten hatte. Wenn er nicht soviel Ahnung als Alegone hätte, würde er nichtmal denken, dass es Fisch ist.

Das Einzige, was je an diesen Geschmack herangekommen wäre, war der Besuch bei der Großtante als Kind. Die buckelige Alte, die kaum gehen konnte und Danyal beständig mit seinen Eltern verwechselte, kochte alles selbst. Das roch zum Teil entsetzlich, schmeckte aber phantastisch. Der Fisch hier zergeht ihm wie die Beilagen faktisch auf der Zunge. Dazu kommt ein seltsamer Geschmack nach Wurzeln und Kräutern sowie ein Gemüse, das er nicht zuordnen kann. Ist das Hirse? Reis? Oder doch nur eine weitere Wurzel? Und wieso ist der Teller leer, er hat doch langsam und in Ruhe gegessen und jeden Bissen genossen?

Er lächelt, doch wirkt ein wenig verwirrt, als er auf seinen leeren Teller blickt. Da ist eine Erinnerung an lauter Köstlichkeiten und an Erlebnisse aus seiner Kindheit, und doch hat er das Gefühl, als hätte die Zeit einen Sprung gemacht.

Jetzt runzelt er die Stirn und fragt sich, ob er überhaupt satt ist, weil alles so schnell ging. Wahrscheinlich wird er ein paar Minuten warten müssen, um es herauszufinden.

Auch Zaina hat eine leere Schüssel vor sich, über die sie ihm aufmunternd zulächelt. In diesem Moment werden beide Schüssel vom Tisch genommen und durch eine kleine Platte an Süßwaren ersetzt. Echter Schokoladenpudding aus Tarawa, der wahre Traum als Luxusprodukt. Handgepflückt, von Schamanen ausgewählt, mit Gewürz verfeinert. Dann Vanilleschoten aus Vashir und Deret. Und fluffig gebackenes Keksbrot mit Sahnefüllung.

Sein Gesichtsausdruck verwandelt sich in Staunen bei dieser neuen Platte. Er versucht, die Köstlichkeiten diesmal extrem langsam zu essen, um sie in vollem Umfang genießen zu können, aber auch, um die Arbeit der Schamanen zu würdigen, die in diese Mahlzeit floss.