Beiträge von Thandara

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    Sie gelangen schließlich in einen Raum, der mehr wie ein steriles Labor als eine Kleiderkammer aussieht. Seperate Duschen und andere Reinigungsgeräte sind in die Seiten eingelassen und nur durch Schleusen zu erreichen. Weiter hinten finden sich im Moment abgeschaltete Anzeigetafeln. Weitere verschlossene Türen führen in andere Bereiche des Gebäudes.

    Du legst nun in dieser Schleuse da deine gesamte Kleidung ab und in die für diese bestimmte Box, dann geht es in die erste Dusche. Im Duschraum kannst du nach dem Duschen eine Kappe auswählen um deine Haare zu schützen. Diese werden in der Enthaarungsbehandlung dann nicht mit entfern. Danach werden die Poren und die Haut durch verschiedene Dampfbäder vorbehandelnt. Anschließend darfst du dich selbst mit unserer Pflegeenthaarungskombination in der zweiten Schleuse einreiben. Sobald diese eingezogen ist, was in etwa vierzig Minuten dauern wird, geht es zur Entfernung der Haarfolikel an den entsprechenden Stellen. Achte besonders auf Handrücken, Füße und Ellbogen.

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    Er deutet nacheinander auf die verschiedenen Stationen.

    Dann kommst du in die Kältebehandlung, um deine Haut zu straffen. Danach wird diese wieder erwärmt und befeuchtet und für die Vermessung vorbereitet. Du kannst dann einen Sud zu dir nehmen und dich in die Vermessungsröhre legen. Während du ruhst werden alle Daten erfasst. Dann bekommst du die temporäre Kleidung für den Empfang beim Akash, so dass du in zweieinhalb Stunden dort sein kannst. Vergiss bei der Reinigung nicht After und Intimbereich. Sobald du den Prozess begonnen hast, endet er erst mit der Entlassung aus der Röhre. Dann geht es zum Frisieren, Cremen und Einkleiden. Als Blutgeborener sollte dir falsche Scham fremd sein. Wenn dennoch eine solche vorhanden ist, können wir die Scheiben abdunkeln. Gibt es Fragen?

    Ich kann dir versichern, dass niemand dir auf die Füße schauen will. Krokodil ist ein denkbar schlechtes Material und zudem aufwendig zu behandeln. Entsprechend schlecht sind die Produkte daraus. Soetwas verkauft man nur Leichtgläubigen, Narren und Posern. Du gibst dich damit deutlich als geistig und sozial am unteren Ende aller Bewertungsmaßstäbe befindlich zu erkennen. Schon allein, dass dir das erklärt werden muss, ist für jeden Blutgeborenen, der das miterleben muss, also den Erklärenden, den zu Belehrenden und alle Zeugen peinlich, weil ein solches Wissen für jene von der Schöpfung gesegnete selbstverständlich sein sollte.

    Das wäre eine deutlich bessere Investition gewesen. Sie sind absolut geschmacklos.

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    Der Schneider hält mit seiner Beurteilung nicht hinter dem Berg als er Tiam und die beiden kleinen Männer durch aufwendig gestaltete Zimmerflure mit Einlagen und Fliesen geleitet. Hier wurde eindeutig Reichtum in einer Weise zur Schau gestellt, wie es das im Kernreich nicht geschieht. Dort ist der Wohlstand eher ein subtiler Fingerzeig für die Benutzung aller und eindeutig auf die öffentliche Nutzung abgestimmt. Hier dient es eher dazu zu verdeutlichen, dass das Oberhaupt Mittel und Wege hat, nur das Beste von allem für sich und die seinen sicherzustellen. Davon soll es durchaus einige Akashi geben, aber die meisten Angehörigen der Phönixdynastie lehnen solch mangelnde Zurückhaltung als unangemessene Prahlerei ab.

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    Seine Begleiter nicken dem eintreffenden Schneider mitleidig zu. Tiam scheint ihnen keine Bemerkung mehr wert zu sein. Der junge Mann, nur wenig älter als Tiam, dunkelhäutig wie die meisten Tarawari, hochgewachsen, kräftig, mit wirklich schönen geraden weißen Zähnen und einem kleinen schwarzen Schnurrbart, sorgfältig gestutzt wie auch das glatte Haupthaar über den ausdrucksvollen dunklen Augen und der kühn geschwungenen Nasen verzieht nur ganz kurz die vollen Lippen. Er ist in eine Weste aus dunkler Seide mit blauschwarzen Hemd und dunkler Hose gekleidet.

    Willkommen in Thandara, Tiam Torabi. Ich werde dich dann zu den Erfassungsräumen bringen, wo wir mit der Ausmessung beginnen. Darf ich deine Kleidung angemessen gleich entsorgen oder willst du dieses . . . Kostüm wieder mitnehmen?

    Niemand wird damit zum Diplomaten, aber vielleicht werden die leichtgläubigen Irren im Norden damit ruhiggestellt. Die sind ja eher ein tumbes und einfältiges Völkchen ohne Vorstellungskraft und Subtilität. Wahrscheinlich sperren sie dich eh gleich ein oder so. Es mangelt dort erheblich an Manieren und auch an Modebewusstsein. Bei den Vorfahren aber kein Wunder, das waren Diebe und Hehler.

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    Der Wagen gleitet durch ein Villenviertel, das man im Kernreich nicht sehen würde, wo es zwar reichlich Paläste gibt, die aber allesamt Gemeineigentum oder Regierungsinstitutionen sind oder halt für Dienste zu Ehren der Götter wie Sex und Feiern genutzt werden. Hier wohnen diejenigen, welche am Gipfel des unfutunischen Kapitalismus stehen, welcher in Diyarasu und Thandara praktiziert wird. Genau wie der alle arm machende Kommunismus werden diese westlichen Spielarten vom Gros der Bevölkerung und Institutionen verachtet. Schließhält der Wagen vor einem protzigen vierstöckigen Palast mit Statuen vergangener Meister.

    Wir sind da, hier wirst du bereitgemacht für dein Treffen mit dem Akash von Thandara.

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    Moment mal, mit dem Akash?

    Ich habe von dir noch keine einzige intelligente Bemerkung gehört, weswegen ich dein Verhalten nicht als "lieb" klassifizieren kann. Einfach professionelles Verhalten an den Tag legen und die Mode den Experten überlassen, zu denen du eindeutig nicht gehörst. Und nimm die Hände da weg, Desinfektionsspray sollte nicht übermäßig verwendet werden.

    Hintergrund:

    Licht 3: Die Leute hier scheinen immun gegen seinen natürlichen Charme zu sein, was schon ein wenig seltsam ist. Aber auf der anderen Seite trampelt er gerade in deren Augen auf ihrer Spezialität der Mode herum.

    Nichts davon ist austauschbar und wenn, dann nur in dem Maße, wie es ersetzbar ist. Vielleicht sollten wir dir einfach die hässlichsten Kombinationen anziehen, die je entworfen wurden. Doch du sollst die Hegemonie repräsentieren, da können wir das nicht machen.

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    Sie erreichen ein Auto, das es so in der restlichen Hegemonie nicht geben würde, weil es zu elegant und schnittig ist, um der Praktikabilität zu genügen, die alle Bereiche der Freiwirtschaft durchzieht. Innen besteht alles aus echtem Leder und edlem Stahl. Und dann macht man sich fast lautlos, schnell und elegant auf den Weg. Die Fassade der Stadt Thandara liegt unter ihnen, einer Stadt, die auf den Ruinen davon fast gänzlich zumindest in der Altstadt aus Marmor erbaut wurde, um unvergleichbaren Eindruck zu erregen.

    Wo sind denn bitte die Stiefel stilsicher? Soetwas ziehen doch nur Leute an, die glauben, dass sie damit reich wirken, obwohl jeder sofort sieht, dass sie es nicht sind, weil wirklich reiche Leute einfache Schuhe aus einem Material kaufen, das noch in fünfzig Jahren wie neu wirkt und selbst im schlimmsten Hagel nicht angegriffen wird. Im Süden des Lodenreiches, wo du hin sollst, ist es nicht so kalt, allerdings im Vergleich zum Kernreich sicher schon. Höchstens vergleichbar mit der banabischen Steppe. Damit solltest du doch sicher kein Problem haben. Und frisiert wirst du sicher auch, allerdings auch nach unseren Vorgaben und nicht nach deiner falsch verstandenen Darstellung von Reichtum, den du nicht hast.

    Aus welchem primitiven Ort kommst du, dass dort noch von Hand vermessen wird und nicht elektronisch oder digital? Nach unseren Informationen ist Yanth nun kein Kuhdorf und doch scheinst du aus dem letzten Jahrhundert zu stammen?

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    Der eine Herr sieht ungläubig und wahrscheinlich auch leicht verächtlich zu Tiam hinauf. Dann lächelt er wieder. Nicht mehr böse, aber eindeutig süffisant. Er hält Tiam wahrscheinlich für einen Trottel.

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    Am Flughafen wird er schließlich direkt im Terminal von zwei kleinen, böse lächelnden Männer im Nadelstreifenanzug in Empfang genommen, die ihn, Tiam Torabi, zu seinem Termin beim Schneider bringen wollen. Danch werde man etwas tun, um an seinem bäuerlichen Verhalten und der tumben Kleinkriminalität zu arbeiten, die er nach außen hin projeziere. Die beiden Männer sind wie Zebras und unterscheiden sich faktisch nicht, aber ihre Kleidung sitzt perfekt und wäre wohl in keiner Gesellschaft fehl am Platz. Die Kragen stehen so gerade, dass man wahrscheinlich Mathematik mit ihnen betreiben könnte. Nicht umsonst ist Thandara als die Modemesse der Hegemonie bekannt. Auch die Leute auf den Straßen sind wesentlich modebewusster gekleidet, so dass Tiam wie ein Proll in dämlichen Krokodilslederstiefel wirkt, der sich schlechter als die Taxifahrer anzuziehen weiß.

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    Die unbeliebteste Person in Thandara war die offizielle Gesandtin des Großwesirs, Pari Yasiri, die wenig diplomatisch darauf hingewiesen hatte, dass sie bei "Bedarf" die Annektion durch die Hegemonie empfehlen würde. Darunter versteht sie scheinbar die Umwandlung in ein direktes Protektorat. Das kann dann alles zwischen Khotso und Bokuruge bedeuten und missfällt sowohl den herrschenden Fürsten, der unangepassten und im Luxus schwelgenden futunischen Oberschicht wie auch den Einheimischen vom Tagelöhner bis zum Bischof. Man kann sie nicht so einfach loswerden und die Hegemonie ist auch an sich nützlich, aber man möchte sie auch nicht direkter vor der Nase haben.

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    Auf den Inseln war man noch weiter von den Realitäten des Festlandes entfernt. Abgesehen von einer formalen Zugehörigkeit was Sprache und wohl auch Glaube, so er in der Moderne noch groß eine Rolle spielte, konnte man auch glauben, in einem anderen Land zu sein. Generell sah man hier nichts abgesehen von Steuern, Waren und Infrastruktur und vielleicht dem Angebot der Streamingdienste. Generell hatte man sich auf den Tourismus konzentriert und traditionelle Schafszucht oder Fischfang wurde nur nebenbei betrieben. Nur die Jugend war frustriert, dass auch die noch so beste Ausbildung nicht dabei half, von der Oberschicht als gleichwertig wahrgenommen zu werden.

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    Das Leben abseits von Thandara selbst war weitaus entspannter. Auf dem Land drehte es sich mehr um das Wetter, die neuesten Serien und den üblichen Klatsch. Bauern grummelten über ausbleibenden Regen, über die Mängel in der Infrastruktur - denn was nutzte die beste Bahnverbindung und schnelles Netz, wenn man auf die Straßen angewiesen war auf dem Land und die Erneuerung auf sich warten ließ - und die tiefen Verkaufspreise. In den kleineren Städten ging alles seinen Gang. In den größeren Städten war man eher auf Lokalpolitik fixiert und es war sehr selten, dass die futunische Oberschicht sich anderswo blicken ließ und dann wohl nur zum Urlaub und dann waren sie eigentlich recht aushaltbar. Sie bevorzugten ja sowieso eher die Inseln und dort sorgten sie für einige Mehreinnahmen, so dass man auch die gelegentliche Fixierung auf ihr entferntes Heimatland - wenn das so toll war, warum lebten sie dann hier? - mit einem Lächeln übersah.

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    Abseits solch hoher Herrschaften und Potentaten und weit entfernt von der in Thandara wohnenden futunischen Oberschicht waren die Bewohner des Fürstentums nicht zufrieden mit ihrem Los, aber diesem auch nicht gänzlich abgeneigt. Es schmerzte doch sehr, in seiner Heimat Bürger zweiter Klasse neben den Privilegierten aus einer Kultur zu sein, die für die meisten auch von einem anderen Planeten hätte stammen können. Zudem war das Mitspracherecht auf eine lediglich beratende Versammlung und ein paar kleine lokale Selbstverwaltungen bestimmt. Und das war in modernen Zeiten einfach viel zu wenig, egal wieviel allgemeiner Wohlstand generiert wurde. Eine Zeit lang hatten die meisten versucht, die Kirche zum Eingriff zu bewegen, doch nachdem klar wurde, dass diese die Unzufriedenheit nur für ihre eigene Machtpositionsverbesserung nutzte und manipulieren wollte, suchte man nunmehr neue Wege. Dabei war vielen Bewohnern wenig bewusst, dass jenseits von Akash und futunischer Pseudoadelsschicht die Hegemonie auf eine solche Eskalation nur lauerte. Nur einige wenige besonders interessierte vermochten zu ahnen, dass da weitaus gefährlichere Kräfte warteten.

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    In seiner Residenz schritt Apezpikua (Bischof) Jesús María Aguirre auf und ab. Seine neueste Petition war vom Akash einfach übergegangen worden. Damit war sein Wunsch, das Bistum stärker zu zentralisieren, vorerst abgeschmettert. In der Theorie war dem Bistum die Region seiner ehemaligen Ausdehnung zugesprochen, aber durch die Nationalisierung und Anpassung, wurde es lediglich auf Thandara, dessen Umland und die Inseln beschränkt. Die Städte im Norden und Westen waren Teil einer anderen Einordnung, aber de facto Niemandsland. Das kam dem Akash wohl entgegen, wobei Jesús eher vermutete, dass es ihm schlichtweg egal war. So mussten die Gläubigen weiterhin unter ungewisser Führung darben.

    R O L L E N S P I E L:

    Die übliche Umtriebe des Akash, Zhubar al-banabi, erregten immer Unwillen unter der mehrheitlichen Bevölkerung, vor allem weil er in typisch futunischer Manier keine Grenzen an seinen Genuss des weiblichen Geschlechtes knüpfte und auch nach Erreichen des dreißigten Lebensjahres nicht den Anschein machte, sich irgendeiner Form der Ehe zu ergeben und dagegen seine drei Sprößlinge fröhlich durch den Garten seiner Residenz toben zu lassen ohne die Bitten der örtlichen Geistlichkeit nach vorbildlichen abendländischen Anstand zu beachten. Dazu kam die unselige Angewohnheit, bei seinen Gesprächen mit selbsternannten und an sich öffentlich bekannten Moralinstitutionen einfach ein paar Geldscheine auf den Tisch zu knallen und mitten im Gespräch zu gehen, und zwar in einer solchen eklatanten Unverschämtheit, dass selbst dem korruptesten Vertreter die Galle hochkam. Lediglich der jüngere Bruder, Vanash al-banabi, bemühte sich die Wogen ein wenig zu glätten. Dabei half wohl, dass er bereits mit 26 eine wahre Musterehe ohne Ausrutscher oder Skandale führte und die Tochter engelhaften Anstand an den Tag legte.