Beiträge von Danyal Khaje

    Ich werde anfragen, ob es da noch zusätzliche Schutzmaßnahmen gibt oder ob ich ein anderes Datenpad für den Dienst als Agent bekomme.

    R O L L E N S P I E L:

    Er blinzelt schläfrig. Jetzt, wo der Motor gleichmäßig brummt, entspannt Danyal sich bis in die letzte Faser. Natürlich nickt er auch wieder die Kritik des anderen ab.

    Ja, es war dringend an der Zeit, dass ich ins kalte Wasser geworfen wurde. Manche Dinge lernt man erst im Einsatz.

    R O L L E N S P I E L:

    Obwohl die Ausbildung in Tzaris kein Zuckerschlecken gewesen war, doch welche Ausbildung ist das schon.

    Er merkt sich, dass Thar als persönlicher Beobachter von Faantir Gried dermaßen bedeutsam ist, dass er eine eigene Uniform tragen darf. Gleichzeitig ist er zerknirscht über die Tasache, dass er als Agent den Luxus aufgegeben hat, einfach nur Parshan unter Parshan zu sein und jedem, der ebenfalls eine Parshan-Uniform trägt, erst einmal eine dicke Portion Vertrauensvorschuss entgegenbringen zu können. Andererseits war dieser Luxus vielleicht ohnehin nur dem Umstand geschuldet, dass während der Ausbildung immer ein Vorgesetzter auf die ganze Truppe achtgab.

    Sie hätten mich nicht tausend Mal von wem anderes lotsen lassen sollen ... eine einzige Person von Tzaris bis heute hier zum Flughafen. Das hätte das Risiko minimiert.

    R O L L E N S P I E L:

    Er fragt sich, ob der Kamerad, der sich in der Maschine vor ihm auf dem allerletzten Sitz versteckt hatte, der Übeltäter gewesen sein könnte oder ob es sich bei diesem einfach um ein besonders unsoziales Exemplar eines Parshans gehandelt hat.

    Der Chauffeur im Wagen könnte es auch gewesen sein. Einer der Mitarbeiter des Großwesirs kam eher nicht infrage. Andererseits ... vermutlich ist es besser, Thars Rat zu folgen und überhaupt niemandem mehr zu vertrauen. Praktisch jeder könnte dahinterstecken.

    Vielleicht war sogar Thar selbst der Scherzkeks.

    Ihm dämmert, dass es ein einsamer Job werden wird.

    R O L L E N S P I E L:

    Auf die Kritik hin entfährt Danyal ein routiniertes:

    Ja. Ich habe keine Erfahrungen als Führungsoffizier oder Einzelkämpfer, sondern als Befehlsempfänger. Es gibt viel, das ich noch zu lernen habe. Aber im Gegensatz zu den Studenten halte ich mich nicht für zu alt. Die Praxis wird mich alles lehren, was mir an Fähigkeiten noch fehlt.

    R O L L E N S P I E L:

    Er gehört nicht zu denen, die jemals mit einem Vorgesetzten über eine Kritik diskutiert oder sich verteidigt hätten. Für Danyal hat ein Offizier prinzipiell recht. Doch in seiner neuen Funktion, in welcher er selbstständig komplexe Situationen beurteilen und Entscheidungen für sein Vorgehen treffen muss, stößt er mit seinem braven Gehorsam und seiner Fixierung auf Vorgesetzte auf Schwierigkeiten.

    Wie muss ich dich nun eigentlich korrekt anreden? Du bist Firouz, ich bin Agent. Wie sieht jetzt die Befehlskette aus, oder sind wir in zwei verschiedenen? Wirst du mich bei der Mission begleiten?

    R O L L E N S P I E L:

    Er zieht sein Datenpad heraus und schaut, ob er schon Antwort von Xaxai Anwar hat oder wenigstens eine Empfangsbestätigung seiner Nachricht. Dann erklärt er endlich, was ihn erschreckt hat.

    Als ich in der virtuellen Bibliothek herumstöberte, hat sich vor meinen Augen der Text geändert. Als würde er korrigiert werden. Und jetzt kommt's: Mein Name stand als Autor unter dem Text! Kaum hatte ich das Ganze fertig gelesen, hat es sich wieder zurück verändert. Ein weiterer Scherz der Akademie von Persuna? Eine Warnung, ein verschlüsselter Hilferuf?

    R O L L E N S P I E L:

    Die genauen Inhalte behält er für sich, bis er eine Freigabe erhalten hat, mit Thar über seine Ermittlungen sprechen zu dürfen. Forschend blickt er den anderen von der Seite an und schiebt sein Datenpad wieder in die Hose.

    Und was genau trägst du für eine Uniform, die der Stiftung? Faantir Gried ist folglich dein unmittelbarer Vorgesetzter, so wie meiner Jaavid Lya Gried ist?

    R O L L E N S P I E L:

    Danyal registriert mit Erstaunen die Veränderung der Sprechweise. Er fragt sich, wen genau er hier eigentlich belästigt hat. In seinem Kopf versucht er, die neuen Informationen zu ordnen.

    Augenscheinlich ist Danyal einem Agentenkollegen begegnet, der ihm vor Dienstantritt auf den Zahn fühlen sollte, wenn auch unter einem anderen Dienstherrn stehend. Nicht schlecht, der Mann hat seine Rolle hervorragend gespielt und hätte Danyal tatsächlich im Sinne gehabt, die Fronten zu wechseln, wäre er ihm wohl auf den Leim gegangen.

    Wahrscheinlich haben die Mitarbeiter der Akademie es genossen, mich in diese verstaubte Bude zu stecken und mir mit ihren ganzen Kameras in jeder Lebenslage aus zwanzig verschiedenen Winkeln zuzusehen. Wenn du wiederkommst, kannst du mir verraten, was um alles in der Welt sie damit bezwecken wollten, mir eine Horde berauschter Studenten vorbeizuschicken, die mir dafür, dass ich sie nicht verpfiff, nicht mal ein Dankeschön dagelassen haben. Stattdessen musste ich mir anhören, ich sei alt.

    Bis gleich.

    R O L L E N S P I E L:

    Aufmerksam beobachtet Danyal, wie der vermeintliche Kamerad sich nun bewegt, als würde er ihn das erste Mal sehen. Er ist gespannt, in welcher Uniform Thar Hanum zurückkehren wird - und ob er außer dieser auch einen anderen Namen tragen wird.

    Den Kopf voller Gedanken und noch mehr Fragen begibt Danyal sich zum Wagen.

    Bekomme ich jetzt ein Verfahren wegen sexueller Belästigung an den Hals?

    R O L L E N S P I E L:

    Das ergibt einen besonders dicken Strich auf der Liste. Zum Glück ist Thar keine Frau, sonst wäre Danyal wahrscheinlich auch noch dem Ehemann zu einem netten Gespräch unter vier Augen begegnet. Der Großwesir wird begeistert sein von seinem neuen Agenten.

    Es liegt nicht an den Ausbildern in Tzaris ... ich bin einfach zu blöd, ja? Ein emotionaler Blindfisch, ich habe nicht einmal bemerkt, dass ich dich befummelt habe.

    R O L L E N S P I E L:

    Was man erstmal schaffen muss.

    Die Schuld trifft mich allein. Für mich war das einfach eine kameradschaftliche Berührung, die Zusammenhalt ausdrücken sollte. Dumm von mir und es passiert mir kein zweites Mal, dass ich einen fremden Oberarm ungefragt berühre.

    In der Befehlskette bin ich direkt dem Großwesir unterstellt. Seinen Anweisungen ist unbedingt Folge zu leisten, ich muss den Flug erreichen. Soll ich einem deiner Kameraden meine Nummer dalassen, dann kann dein Firouz mich während der Fahrt anrufen.

    Das liegt nicht an der Ausbildung. Weniger Körperkontakt würde die Effizienz der Parshans mindern. Das kann nicht das Ziel sein. Im ungünstigen Fall steht im Einsatz das Leben von Blutgeborenen auf dem Spiel, jeden Tag aber ihre Sicherheit. Gerade Sanis dürfen keine Berührungsängste haben. Das Problem sind nicht die Methoden der Ausbilder, das Problem bin ich selbst, weil ich eine praktisch orientierte Berührung nicht von einer Anmache unterscheiden kann.

    R O L L E N S P I E L:

    Damit Danyal ein Angebot zur Zweisamkeit korrekt als solches identifizieren könnte, müsste man sich ihm entweder nackt auf den Schoß setzen oder ihm ein passendes Formular zukommen lassen, bei welchem er Ja oder Nein ankreuzen dürfte. Das Formular wäre ihm lieber, da weniger fehleranfällig.

    Alles in allem ist er froh, dass Thar nach dem peinlichen Patzer weiterhin normal mit ihm redet. Leute, die vor sich hin plaudern, sind tendenziell guter Stimmung und geneigt, Freundlichkeit auszudrücken, weswegen er das als gutes Zeichen nimmt. Scheinbar sieht Thar ihn doch nicht als Feind an, wie Danyal bei ihrer ersten Begegnung glaubte.

    Danyal registriert aber auch die Anspannung des Kameraden. Die anderen Parshans - normalerweise Garant für Danyals inneren Frieden - machen auch ihn nervös. Er hat keine Ahnung, inwieweit jene Merkwürdigkeiten, die ihm widerfahren sind, den Parshans der Akademie bekannt sind oder nicht. Unmöglich kann er vor der versammelten Truppe irgendwelche Details ausplaudern, deren Relevanz er selbst nicht abschätzen kann. Stattdessen hatte er Thar unter vier Augen möglichst unverfänglich befragen wollen, doch die Parshans machten dieses Vorhaben zunichte.

    Bis wohin begleitest du mich? Ich muss das mit dir draußen besprechen. Die Kameraden können dabei in Sichtweite bleiben, aber wir müssen erst hier raus. Und natürlich will ich den Flug noch erreichen, ich muss, ich habe einen entsprechenden Marschbefehl!

    R O L L E N S P I E L:

    Danyal runzelt ebenfalls die Stirn, wodurch sie sich noch ähnlicher sehen, als sie das aus einer Laune der Natur heraus ohnehin schon tun.

    Nein, keine Drogen, kein Alkohol, kein Tee. Nur Kakao.

    R O L L E N S P I E L:

    Er fügt einen zweiten Strich in seiner gedanklichen Liste hinzu, die aufzählt, wie oft er seit seiner Ankunft in Persuna für einen Lüstling gehalten wurde. Vermutlich sind die ständigen kommunikativen Fehltritte eine Folge seines grauenhaften Einfühlungsvermögens.

    Die Ausbildung in Tzaris hat häufige Berührungen untereinander beinhaltet: beim Nahkampftraining, bei der Haltungskorrektur, bei der gegenseitigen Kontrolle der Ausrüstung, beim Üben von Erste-Hilfe-Maßnahmen, bei der Simulation von Verletzungen, die ein Schleppen des Kameraden beinhaltet, beim tatsächlich notwendigen Schleppen von Kameraden, beim gemeinsamen Überwinden von Trainingshindernissen und so weiter. Vielleicht ist er in dieser Zeit endgültig abgestumpft.

    Umgekehrt fragt er sich, wie viele Einladungen ihm schon entgangen sein mögen oder wie oft er welche zum Entsetzen seiner Kameraden verteilt hat, die er selbst gar nicht wahrgenommen hat.

    Vor seinem inneren Auge sieht er Tiam, der in dieser Situation wohl anzüglich mit den Brauen gezuckt und "Wie schade!" gesagt hätte, ohne auch nur den Versuch zu unternehmen, das Missverständnis aufzuklären. Aber der ist ein Fall für sich. Danyal kann nicht auf diese Weise kommunizieren. Seine Antwort fällt entsprechend langweilig aus.

    Tut mir leid, Mann. Vermutlich stecke ich gedanklich noch irgendwo in Tzaris bei der Ausbildung fest. Die geht ja mit ständigem Gegrabsche einher. Ich muss noch in der Realität des Dienstes ankommen. Ich sage dir draußen, weshalb ich so schnell wie möglich hier raus will.

    R O L L E N S P I E L:

    Für einen Parshan gibt es kaum etwas, das so viel Sicherheit zu vermitteln vermag wie die Uniform eines Kameraden. Sie sorgt für ein Basisvertrauen unter Wildfremden, für ein Zusammengehörigkeitsgefühl, selbst wenn sie sonst nichts miteinander verbindet. Jeder Parshan ist in erster Linie ein Kamerad, selbst wenn er der größte Unsympath ist. Dieser hier grinst obendrein und Danyal kennt ihn bereits. Egal wie groß das Problem auch sein mag und wie unterschiedlich die persönlichen Ansichten - die Situation ist nun besser.

    Dich schicken die sieben Kadahra Medala! Etwas stimmt nicht. Wir müssen reden, aber außerhalb des Geländes.

    R O L L E N S P I E L:

    Danyal steckt wie Waffe weg, lässt sie aber griffbereit. Er greift im Vorbeidrängen den anderen am Oberarm, damit der mit nach draußen kommt. Mit dieser Geste kommuniziert er, ohne es auszusprechen, dass sie jetzt besonders zusammenhalten müssen. Gleich darauf gibt er ihn jedoch wieder frei, denn beide müssen sich frei bewegen können. Sichernd schaut Danyal sich im Gang um.

    Bring uns nach draußen!

    R O L L E N S P I E L:

    Wieso ist das Quartier in einem so schäbigen Zustand, wenn es für Regierungsmitarbeiter gedacht ist? Soll das ausdrücken, was man von der Regierung hält? Er macht rasch Fotos von allem, was ihm auffällig erscheint, sowie ein Video von wenigen Sekunden der Wand in Nahaufnahme, auf dem man hoffentlich das Klicken hört. Die staubige Mappe, das Foto und die tote Datentafel stopft Danyal in seine Tasche.

    Da hört er die Stimme.

    Er hat keine Ahnung, ob sie zu seinem Chauffeur oder zu irgendeinem Mitarbeiter der Akademie gehört. Einen trotzigen Blick in eine Kamera verkneift er sich, damit sie es schwerer haben, ein biometrisches Abbild seines Gesichts zu erstellen. Seine letzte Handlung - bevor was auch immer geschehen wird - ist der Versuch, den Screenshot des Texts an Xaxai Anwar zu senden und als Kommentar eine Reihe von Fragezeichen. Damit hatte er warten wollen, bis er das Gelände der Akademie verlassen hat, doch er weiß nicht, ob er dazu noch in der Lage sein wird. Für mehr langt die Zeit nicht.

    Mit zu Stein erstarrtem Gesicht wendet er sich der Stimme zu.

    R O L L E N S P I E L:

    In Danyal breitet sich die Leere der Angst aus. Ihm wird übel.

    Ganz ruhig ... ruhig ...

    Er atmet bewusst langsam - eine Zeit ein, zwei Zeiten aus. So verhindert er, dass sein Kreislauf außer Kontrolle gerät und der Körper in den Panikmodus verfällt. Gut so. Körperlich bleibt er frei von allzu starken Stresssymptomen, das macht es auch dem Geist leichter, klar zu bleiben. Irgendjemand kommuniziert hier offensichtlich mit ihm ... doch was will derjenige zum Ausdruck bringen? Eine Warnung an Danyal? Ein verschlüsselter Hilferuf? Oder ist das Ganze das Spiel eines Sadisten, der ihn zappeln sehen will?

    Danyal schiebt das Datenpad in seine Hosentasche. Zügig kehrt er in seine Unterkunft zurück und wirft sich die gepackte Tasche über die Schulter. Er nimmt die Waffe in die andere Hand. Sein Blick zuckt in alle Richtungen, starrt auf Stellen, wo jemand lauern könnte, Danyal schaut hinter Türen, in die Schränke, unter das Bett ... so arbeitet er sich durch seine Unterkunft, den Rücken immer nur in eine gesicherte Richtung gewendet und wenn möglich an der Wand.

    Er hofft, dass er die Akademie noch verlassen kann!

    R O L L E N S P I E L:

    Die rechte Braue von Danyal zuckt verärgert, da er zunächst von einer Werbeeinblendung oder technischen Störung ausgeht, ehe die Einblendung abgeschlossen ist und er den Text in seiner Gänze lesen kann. Seine Augen weiten sich. Sofort macht er einen Screenshot, dann liest er das Ganze noch mal langsam, um sich den Inhalt fest einzuprägen, falls die Datei beschädigt wird.

    Er versucht, die Information mit seinem bisherigen Weltbild zu verbinden und die Präzision, mit der sich dieses neue Puzzleteil ins Gesamtbild fügt, lässt ihn Triumph und Erschütterung gleichermaßen spüren. Viele unerklärliche Dinge ergeben mit dieser Information endlich Sinn! Die Frage ist nur, ist sie wahr? Und wenn das der Fall ist - wie lange wird es dauern, bis die Akademie seine Suche bemerkt und zu ihm zurückverfolgt?

    Nervös schaut er auf die Uhr, dann sucht er den Namen des Autors.

    R O L L E N S P I E L:

    In der Regel genießt Danyal seine Mahlzeiten bereits fertig gekocht. Mit Schaudern erinnert er sich an den Abend von vor einem halben Jahr, als sein Kamerad Tiam Torabi ihn zum gemeinsamen Kochen einlud ...

    Motiviert, seinen Bildungshorizont zu erweitern und Freizeitverhalten zu erlernen, stimmte Danyal damals der Einladung zu. Nach der Anleitung von Tiam verwandelten sie ihre in Rohform gelieferten Rationen in ein Gericht. Am Ende wurde das Ganze großzügig gewürzt. Die Küche sah schlimmer aus als ein Schlachtfeld und von dem ganzen Zimt, Kardamon, Nelken und was da noch alles von ihnen mit der elektrischen Handmühle gemahlen worden war, musste Danyal ständig niesen. Tiam schwor darauf, dass es viel besser schmecken würde, wenn man alles selber zubereitete, weil seine Eltern das auch so handhabten. Allerdings hatten sie scheinbar versäumt, ihren Sohn in den Kochkünsten zu unterweisen, bevor dieser auszog.

    Während Danyal das brotähnliche Resultat, welches außen verbrannt war und innen noch roh, nur widerlich gefunden und es aus Gier dann trotzdem gegessen hatte (es handelte sich um den Versuch eines Süßgebäcks), war Tiam nach dem "Genuss" der Mahlzeit für den Rest des Tages an die Toilette gefesselt gewesen. Nach Danyals fachkundiger Analyse musste daran das Übermaß der Gewürze Schuld sein, da die ausgegebenen Zutaten üblicher Weise von hervorragender Qualität waren. Tiam wiederum bestritt das, da dies ein altes Familienrezept sei, und gab stur einem Infekt die Schuld.

    Fakt ist, das dies Danyals erstes und einziges Experiment in diese Richtung geblieben ist. So verzehrt er auch heute genussvoll seine Fertigmahlzeit und trinkt den dazugehörigen vorgemischten Kakao. Über sein Datenpad lässt er Musik dudeln, da ihn die Stille zu stören beginnt. Trotz der zwischenmenschlichen Schwierigkeiten, vor denen er sich täglich sieht, ist er im Grunde kein Einzelgänger.

    Da 18 Uhr sein Flug geht, wird man ihn 17 Uhr abholen. Danyal durchstöbert nach dem Packen die Bibliothek, nimmt sich das am wenigsten langweilige Werk und setzt sich damit in den Nebengarten zu den Fröschen, um sich die Zeit zu vertreiben.

    R O L L E N S P I E L:

    Das bösartige Lächeln und der triefende Sarkasmus sind selbst für Danyal nicht zu übersehen. Daraus schlussfolgert er, dass er tatsächlich in die Schublade "Feind" gerutscht ist. Er selbst ist allerdings emotional zu weit von solchen Dingen entfernt, um gleichzuziehen. Für ihn ist der Parshan immer noch ein Kamerad, wenn auch einer in angriffslustiger Stimmung.

    Die Schlussfolgerung, dass die Agenten den Willen des Großwesirs verkörpern, ist durchaus korrekt. Wir sind seine Präzisionswerkzeuge.

    R O L L E N S P I E L:

    Während andere den Begriff des Werkzeuges verächtlich verwenden, artikuliert Danyal ihn voller Stolz, bedeutet es doch, dass der Großwesir ihn für nützlich befindet, was wiederum heißt, dass er seine Arbeit gut macht.

    Welche Möglichkeiten mich erwarten, wird mir morgen mitgeteilt. Vielleicht begegnen wir uns ja eines Tages wieder. Hoffentlich hast du dann bessere Laune.

    R O L L E N S P I E L:

    Seine Mundwinkel zucken, dann wird ein Schmunzeln draus.

    Idealismus in dem Sinne, sich überhaupt freiwillig mit solchen Dingen herumzuplagen. Von Politik verstehe ich wenig, Kamerad. Ich erfülle meine Aufträge, ohne sie zu bewerten. Aber in dem Fall hätte ich gern verstanden. Warum stören einige Sufis sich daran, dass der Großwesir politisch aktiv ist? Müsste es nicht in ihrem Interesse sein, dass er ihre Sache vorantreibt?

    R O L L E N S P I E L:

    Danyal fragt sich, warum der Mann so unentspannt ist. Er kann es sich nur so erklären, dass der andere Parshan ihn entweder für seinen Feind hält, weil er für den Großwesir arbeitet, oder eine stressige Nachtschicht hatte und daher die Reserven seiner Geduld sich neigen.

    Danyal beobachtet ihn, hört ihm zu, doch es gelingt ihm nicht, die Oberfläche zu durchdringen. Jene Dinge, die für den anderen Parshan selbstverständlich sind, nimmt Danyal nicht wahr, als würde ihm der dafür notwendige Sinn fehlen und oft hat er sich gefragt, ob es tatsächlich so sei. Sein Gegenüber wiederum versteht nicht, warum der Agent ihn nicht begreift, obwohl jeder andere es täte.

    Danyal spürt, dass auf dem Weg vom Sender zum Empfänger ein Teil der Information verloren gegangen sein muss. Er sucht nach dem fehlenden Puzzleteil auf der Informationsebene, nicht verstehend, dass andere Dinge den Ausschlag zum Verständnis gegeben hätten. Die ihm unverständliche Gefühlsebene steht wie ein gläsernes Labyrinth zwischen ihnen. Die beiden Parshans sehen einander klar und irren doch aneinander vorbei.

    Und irgendwie macht Danyal das traurig.

    Dann steckt bei dir viel Idealismus dahinter. Wenn man für etwas kämpft, muss man wissen, wofür. Die Akademie steht für das Sammeln von Wissen ein und wie gesagt halte ich das für eine gute und wichtige Sache. Die Frage ist, inwieweit die Akademie sich dabei am Großwesir stört, wenn der doch gar nicht den Anschein erweckt, dass er etwas gegen das Sammeln von Wissen einzuwenden hat?

    Was meine Geste betrifft, so habe ich diese auf gut Glück imitiert. Ich hatte sie nie zuvor gesehen. Ohne eine gesunde Portion Neugier wäre ich für meinen Auftrag vermutlich wenig geeignet.

    R O L L E N S P I E L:

    Danyal lächelt entschuldigend.

    R O L L E N S P I E L:

    Das Grinsen erwidert Danyal mit einem Schmunzeln, während er dem Parshan zuhört.

    Vielfalt wird ja durchaus gefördert. Wer unter Konkurrenzdruck steht, ist gezwungen, besser zu sein als der Rivale und sich weiterzuentwickeln. Ohne fähige Rivalen kein Fortschritt. Von einer gesunden Konkurrenz profitieren am Ende beide Seiten. Es mag also sein, dass die momentane Situation durchaus so beabsichtigt ist.

    Eine Seite wählen zu können, setzt voraus, beide Seiten zu kennen. Momentan kenne ich allein die des Großwesirs, der sich als nicht unsympathisch präsentiert hat. Gefährlich charismatisch, fürsorglich zu den Seinen, sehr intelligent. Er weiß die Menschen zu nehmen. Die Sufis der Akademie müssen handfeste Gründe haben, sich einen solchen Gegner zu wählen. Diese Gründe würden mich durchaus interessieren.

    Der Großwesir wirkte nicht, als hätte er etwas gegen die Arbeit der Akademie einzuwenden; die Gründe für die Spaltung müssen demnach wohl auf einer anderen Ebene zu finden sein. Wäre es möglich, sich die Seite der Akademie einmal anzuhören? Was hat dich persönlich auf die Seite dieser Fraktion verschlagen?

    R O L L E N S P I E L:

    Danyals Frage ist aufrichtig gemeint. Es liegt ihm fern, einen kleinen Parshan anzuschwärzen, der Feuer und Flamme für die Sache seines Dienstherren ist. Im Gegenteil gebührt solcher Hingabe Respekt. Die Arbeit für die Akademie ist zudem völlig legal, Pluralismus futunischer Alltag. Er meint also, dass die Erkundigung nicht als Versuch einer ungebührlichen Spitzelei begriffen werden sollte. Aber wer weiß schon, was im Kopf eines anderen vorgeht.

    R O L L E N S P I E L:

    Die Frage überrascht Danyal, zeitgleich ist er erleichtert, in seinem Spieltrieb nicht die Geste einer Grässlichkeit imitiert zu haben, für die er sich im Anschluss beim Großwesir hätte erklären müssen.

    Offen gesagt weiß ich selbst nicht, ob der Dienst für die Akademie möglich wäre. Ich müsste meinen Vorgesetzten fragen.

    R O L L E N S P I E L:

    Wen auch sonst ... für jede noch so kleine Unregelmäßigkeit rennt ein Parshan zu seinem Vorgesetzten oder verweist auf diesen. Das ist auch völlig richtig, damit es zu möglichst wenig Unregelmäßigkeiten kommt, die hinterfragt werden müssen. Effizienz ist der Schlüssel zum Erfolg.

    Ich hatte gestern mit dem Großwesir das Vergnügen. Ein kompetenter Mann mit vernünftigen Ansichten. Die Akademie von Persuna arbeitet doch für eine gute Sache. Insofern könnte ich mir einen Beitritt zur Akademie durchaus vorstellen.