Beiträge von Gilgamesh

    Auch in der Erde können sich Schichten verschieben oder Sedimente abrutschen oder die Flächen erodieren. Dazu kommen Grundwasserabsenkungen und Feuchtigkeitsanforderungen. Aber das ist nicht mein Spezialgebiet. Tiamat oder der Bund des Einhorns sind eher in der Materie. Bei kunstvoller Architektur sicher auch der Tempelkult.

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    Nach dem Essen werden Tee und Konfekt serviert. Das ist vor allem grüner Tee von der hiesigen Ostinsel, etwas herber als gewohnt. Die Süßwaren sind in erster Linie gezuckerte Früchte, Eis und Kekse mit recht einfachen Gewürzteig.

    Ich habe immer noch Familie auf dem Festland. Und darüber will ich lieber nicht weiter reden.

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    Entsprechend nimmt sie ihr Essen schweigend ein.

    Ja, da musst du dir hier keine Sorgen machen. Hatha hat so lange beharrt, bis man ihnen die beste wetter- und katastrophenfeste Architektur gegeben hat, zumindest in den Städten. Das Haus kann vielleicht sogar einem Orkan standhalten, aber die ziehen normalerweile an den Inseln vorbei und wir bekommen nur solche extremen Stürme wie jetzt, aber keine Katastrophen.

    Ah, noch einen. Nun, ich verstehe. Ja, das kann ich erledigen. Das Zimmer kannst du gerne haben, auch wenn ich nicht in den Sturm gehen würde an deiner Stelle. Und ich glaube nicht, dass ich mich hier herausarbeiten kann. Mein Fehler bestand darin, mit Faantir Gried in einem Flugzeug zu reisen und ihn zu unterhalten. Erst wirkte das ja gar nicht so wild und nun bin ich hier.

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    Die Speisen und Getränke werden gebracht. Der Koch gab sich scheinbar wirklich Mühe. Jedenfalls schmeckt das Essen sehr exotisch. Nicht immer passend, aber auf jeden Fall eigen. So als hätte man nicht die idealen Zutaten gehabt und würde mit dem improvisieren, was da war.

    Das wundert mich etwas. Hast du nicht bereits einen Ausweis erhalten? Bezüglich des Datenpads werde ich mich erkundigen. Und der Sturm wird wohl bis morgen abend anhalten. Aber Wetterberichte sind ja sowieso nur Schätzungen. Lieber einen Schlafraum zum Garten oder mit Blick auf die Bucht? Also sehen wirst du sie ja eher nicht bei dem Sturm.

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    Sie tippt die Bestellungen ein, nachdem auch die anderen ihre Wünsche geäußert haben.

    Und wenn du es noch nicht gemerkt hast. Hier wird man nur hin strafversetzt. In meinem Fall bin ich dem ehemaligen Großwesir ein Dorn im Auge gewesen. Da hat er mich hierhin verbringen lassen. Nun sitze ich hier fest.

    Ich glaube nicht, dass irgendjemand außer Irren freiwillig hierher kommt. Und nein, ich sehe unsere Präsenz eher als überflüssig an. Dein Besuch etwa ist der Höhepunkt des Monats. Da kannst du dir ausrechnen, wie ein Jahr so aussieht. Was genau willst du trinken? Wir haben Tee, Wasser, Säfte und Alkohol. So weit vom Festland entfernt sind Kaffee und Kakao nur als Extrarationen zu bekommen.

    Ich habe keine Ahnung, was man hier eigentlich will außer uns und die Vergangenheit zu verfluchen. Seit sieben Jahren habe ich den Posten. Es ist mir nicht gelungen, da eine Antwort zu bekommen.

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    Die Gemälde sind nichtssage Landschaftsbilder irgendwelcher zweitklassiger Künstler - immer noch präsentabel, aber keine Besonderheiten - die vor allem Hochgebirge und Steppen zeigen, also nichts, was es auf Hatha geben könnte. Von dort geleiten Botschafterin und zwei Sekretär nebst Sicherheitsmann Danyal durch zwei Zimmerfluchten in einen mit Vulkanglaskacheln verzierten Raum, in welchem auf einem Keramiktisch bereits gedeckt wurde. Durch die doppelt verglasten Fenster könnte man sicher auf eine Landschaft oder einen Garten schauen. Aber durch das Unwetter sieht man nur Schatten unter dem Regen. Die Botschafterin nimmt einfach irgendwo Platz und lädt Danyal ein, das gleiche zu tun.

    Das obliegt nicht uns. Wenn wir die Idee vorbringen, dürfen wir auch wieder alle Risiken tragen, also Bau, Betrieb und mögliches Scheitern. Hatha wird da selbst keinen Finger krumm machen. Das haben sie noch nie.

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    Sie weist auf die offenen Türen. Dahinter befindet sich ein kleiner Saal, von dem aus Gänge tiefer in die Anlage führen. An den Wänden hängen zweitklassige Gemälde.

    Wollen wir dann zum Essen gehen?

    Sayaad Zaal war zwanzig Jahre das Gesicht der Automobilindustrie und ganz oben bei Tiamat dabei. Dann hat er von einem Moment auf den anderen hierher gewechselt, um bei der Vertretung von Ort zu helfen. Seit nun fast fünf Jahren haben wir den gemeingefährlichen Irren an der Backe. Am Anfang dachte ich ja noch, dass es irgendso eine Erschließung durch Tiamat ist, aber da kam nie was in Hatha auf. Erst hat er den Jugendlichen vor Ort beigebracht, wie man geländegängige Motorräder aus Metallschrott und anderem Müll baut. Dann hat er damit angefangen, seine von Erzdämonen betriebenen Wagen zu bauen. Warum die nie als Kriegsgerät eingesetzt werden, ist mir schleierhaft. Der Wagen hätte im letzten Totenwaldaufstand sicher gut ausgesehen. Seine aktuelle Idee ist die Einrichtung einer Autorennstrecke hier auf Hatha. Das ist einfach nur irrsinnig. Oder wie siehst du das?

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    Sie gibt einem Angestellten mit knappen Worten zu verstehe, er möge doch bitte den Koch von den Essenswünschen informieren.

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    Die Botschafterin starrt ihn erst verwirrt an, dann fängt sie sich und meint ganz langsam sprechend.

    Nun, ich werde ihn sicher darauf ansprechen. Irgendwann mal. Am besten mit zehn Metern Platz zwischen uns. Du hast sicher Hunger. Darf ich dich zum Abendessen einladen? Angesichts des Wetters wird das wohl innen stattfinden müssen und nicht auf unserer Terrasse, die sicher ansonsten der beste Platz wäre. Unser Koch ist ziemlich gut. Der kann deine übliche Portion sicher in einer fleischlosen Art und Weise in ein vollendetes Gericht umwandeln. Zu den Meeresfrüchten: Wie stehst du zu Muscheln?

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    Die Sicherheitsleute versuchen derweil den Fahrer abzudrängen - ohne ihn wirklich zu berühren. Wie auch immer sie das anstellen wollen. Alle anderen scheinen derweil gebührlich Abstand zu nehmen. Auch vom Wagen, der da so friedlich und still herumsteht.

    Masa an'nur, Danyal Khaje, alles in Ordnung mit dir? Als wir den Anruf bekamen und du abgeholt werden solltest, rannte der Fahrer schon los. Auf der anderen Seite kann auch nichts ihn aufhalten außer vielleicht die Götter oder ein Weltuntergang. Aber selbst dessen bin ich mir nicht sicher. Hast du etwas zu essen von ihm angenommen? Bitte, sag nicht, dass du etwas zu essen angenommen hast! Ich lasse den Arzt rufen, nur keine Panik!

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    Ihre Stimme wird immer gehetzter und höher. Wenn hier jemand in Panik zu verfallen droht, dann eindeutig sie. Der Qualm hat sich unterdessen verflüchtigt. Der Wagen hockt unschuldig im Innenhof. Ein paar Angestellte kümmern sich um die leidenden Tiere. Es riecht nur noch entfernt nach Karamel und Sonnenaufgang.

    Dann lass dir besser vom Koch helfen.

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    In diesem Moment bricht eine Menge von Personen aus den Türen und verteilt sich auf dem Hof. Erst reden sie alle gleichzeitig, so dass man nichts versteht. Dann nehmen drei eindeutig als Sicherheitsleute identifizierbare Männer große Tücher, um den Rauch davonzuwehen. Einige Frauen reden schwallartig auf den Fahrer ein, der das ungerührt über sich ergehen lässt. Eine streng aussehende hochgewachsene Frau, die Danyal sogar überragt, baut sich über ihm auf, wirft ihm aber einen sorgenvollen Blick zu.

    Danyal Khaje? Ich bin Botschafterin Faydia Wazi, alles in Ordnung mit dir?

    Du bist sehr laut, Danyal. Das ist nicht nötig. Ich verstehe dich gut.

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    Eine Schildkröte, die sich hier im Garten aufhält, übergibt sich geräuschvoll und herzhaft im Hintergrund. Der Ara, welcher auf einem Ast saß, fällt derilierend ins Gras. Der Rauchnebel wabert herum, trägt Noten von Zimt, Haselnuss und brennenden Reifen in sich. Auf der Straße hinter ihnen bildet sich durch Rauch und Regen eine Art Schlacke, bevor sie davongespült wird,

    Das ist nur meine spezielle Gewürzmischung. Und mein Auto springt nicht. Es fällt nur nicht um wie geringere Autos.

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    Er klopft auf den Lenker, wobei ein seltsames Glockengeräusch erklinkt.

    Lass uns reingehen. Ich koche uns was oder lassen den Koch ran. Das ist vielleicht besser, aber ich mache in gemeines Frikassee, versprochen. Und mein Kaffee ist auch nicht schlecht. Oder das Schokomus. Aber der Koch schmollt immer, wenn ich in seiner Küche bin.

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    Der Mann fuchtelt kurz mit den Armen herum, dann lässt er vorsichtig die Beine herab. Einen Moment geschieht gar nichts. Dann nebelt eine gewaltige Dampfwolke in grün und orange den Wagen ein und verdeckt kurz den Regen. Es riecht nach verbrannten Zucker.

    Wenn ich sie einmal absenke, dann kann ich es kaum mehr stoppen.

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    Der Wagen steht in der Wolke da, fast in frommer Erwartung, bevor er zu beben beginnt, so als wolle er sich wie ein Tier schütteln. Unter den Sitzen beginnt irgendein Monstrum zu kreischen, dann macht der Wagen einen Satz und die Fahrenden werden in den Sitz gepresst. Der Mann lacht irre, während der Wagen immer mehr beschleunigt, völlig ungebremst vom fast senkrecht fallenden Starkregen, eventueller Nässe auf der Straße oder der Vorstellung von Verkehrsregeln. Durch den bunten Rauchen wirkt der Regen auch wie eine schillernde Wassershow. Es stellt sich das wage Bangen ein, das Menschen empfinden, wenn sie sich ihres Platzes im Universum unsicher sind.

    Leider wird unsere Fahrt nicht lange dauern. So weit ist es nicht zur Botschaft.

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    Der Wagen nimmt nicht etwa die Kurven wie man das bei Autorennen sieht, sondern springt sie großzügig ausholend entlang. Das Gelände scheint dabei mehr als Bande zu fungieren als die tatsächliche Fahrbahnbegrenzung. Bei dem was das Auto auszuhalten scheint, würde es wohl auch einen Panzer über den Haufen fahren können. Nach ein paar knappen, aber auch sehr aufregenden Minuten, in denen Hirn, Herz, Lunge und Magen großzügig die Plätze zu tauschen scheinen und man mit den Augen schmecken kann, hält der Wagen in einem Innenhof mit Glasüberdachung. Bunter Nebel wabert. Der Fahrer grinst.

    Wir sind da.

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    Sayaad hockt sich - jedenfalls zieht er seine Gliedmaßen albern auf dem Sitz zusammen - hinter das Steuer und stiert mit einem irren Grinsen aus dem Fenster hinaus.

    Keine Sorge, ich bin nicht von hier. Ich habe mich daher freiwillig für den Dienst hier gemeldet, weswegen die meisten immer verwirrt sind. Sie verstehen nicht, dass Hatha das lustigste Land von allen ist. Und das ist mein Koba Hazzu, den ich selber hier aus fehlerhaften Karren zusammengeschraubt habe. Toll, nicht? Man kann sogar den Kraftstoff so genial strecken. Das gibt Extrabums.

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    Er fummelt wild an einigen seltsamen Hebeln und Knöpfen, greift dann in ein Fach und zieht eine seltsame Pilotenbrille hervor. Der Wagen beginnt seltsam zu brummen. So gar nicht wie ein Auto.

    Essen können wir in der Botschaft, das ist besser als der Fraß hier. Da gibt es auch richtige einheimische Küche und nicht immer nur die dämliche Rationierung zugeteilter Nahrung. Steig ein und schnall dich an. Oh, und du solltest besser einen der Helme aufsetzen.

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    Er hat bereits halb die Brille aufgesetzt, hält aber inne und hält einen deutlich mit Polstern und Stahl verstärkten, knallgelb gestrichenen Helm hervor. Eine rote Zwei ist deutlich darauf zu sehen.

    R O L L E N S P I E L:

    Die Gesandte legt einfach auf ohne einen weiteren Kommentar. Nach den versprochenen anderthalb Stunden und wahrscheinlich knapp bevor man in dem Kunstraum den Verstand verliert meldet die Rezeption in einer monotonen und schläfrigen Stimme die Ankunft eines Wagens. Und das obwohl Danyal direkt sieht, dass er ankommt und schon im Begriff ist, das Gebäude zu verlassen. Ein älterer Mann mit schon ergrauenden Haaren, glatt rasierten, leicht faltigen Gesicht, aber lebendigen dunklen Augen, die über seinem verschmitzten Lächeln funkeln, betritt das Foyer und nickt Danyal zu.

    "Willkommen in Hatha, ich bin Sayaad Zaal, die ehrbare Xaxai Anwar hat mich geschickt, um dich zur Botschaft zu fahren. Ich kann fast nicht glauben, dass man diese Gefängnis hier immer noch benutzt. Da haben ja die Flughafenlandebahnen mehr Persönlichkeit. Nun, Ahura Mazda sei Dank, wir können hier raus."

    R O L L E N S P I E L:

    Er gestikuliert lebhaft in Richtung des Wagens, einem knallgelben Verbrechen auf Rädern, mehr gemütlich als sachdienlich oder zweckgemäß. Jemand, der so ein Auto fährt, nimmt wahrscheinlich weder sich selbst noch sonst irgendjemand besonders ernst. Das Vordach wird derweil weiter vom Regen gepeitscht. Wahrscheinlich muss man auch leicht verrückt sein, bei dem Wetter durch die Gegend zu fahren.