Bokuruge: Reichtümer der Savanne

Die Boku waren so ziemlich das einzige Volk, das in der Hegemonie Khotso noch groß Beachtung schenkte. Aber da man sich da nicht wirklich einmischen konnte, schloss man lediglich die Grenze. Das merkte wahrscheinlich auch wieder keiner. Natürlich kam niemand auf die Idee, es irgendwelchen Futunen zu sagen. Nur weil man sich mit dem Teufel eingelassen hatte, musste man dem dann nicht noch Aufmerksamkeit abverlangen. Mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit wusste der sowieso davon. Aber musste dieses Chaos sein? Das wirkte dann nie wie Absicht, sondern fast schon inkompetent. Merkten die nicht, wie das bei anderen ankam?

Religiöse Toleranz war nach Ansicht vieler Boku ihre wichtigste Eigenschaft. Bokuruge war nicht nur Handelsplatz für alle möglichen Waren, sondern auch Treffpunkt aller großen Religionen, Splittergruppen und exotischer Sekten. Entsprechend hielt man es im Sinne der guten Nachbarschaft und des Handels für angebracht, Exzesse und Fanatismus zu vermeiden und sich auf die versöhnenderen Aspekte zu einen. Das führt dann nicht nur zu einem relativ gelassenen Handel, nein, auch die einzigarte Version religiös diverser Familien war keine Seltenheit im Land. Am Ende war allen gemein, in Frieden zu leben und ihren Glauben zu haben. Das verstand so gut wie kein Ausländer.

Sati, die Amtssprache der Boku, war ein seltsames Konstrukt. Ursprünglich nur als Sklavensprache bezeichnet und oft verboten, erwuchs die schriftlose Form im Zuge des Abwerfens der alten Obrigkeit. Erst in der Neuzeit entwickelte sich dazu eine Schriftsprache, vor allem auf Drängens des Oberherren, der eine zu enge Bindung ablehnte. Schließlich sollte Bokuruge nicht wirklich Teil der futunischen Zivilisation werden. Und diese Ansicht wurde dann auch dankbar und offen von den Boku übernommen.

Eine Hitzewelle überzieht den Osten des Landes. Die Dürre macht den Menschen arg zu schaffen. Durch die ausgetrockneten Wasserlöcher sind auch die Tiere, der größte Schatz des Landes gefährdet, während die Menschen immerhin durch die Verteilung von Wasser aus Rohren und von Tanklastern versorgt werden können. Aber das kommt für die Versorgung wilder Elefanten und Antilopen kaum in Frage. So wird in allen Dörfern vor allem um Regen gebetet oder irgendeine andere Lösung.

In den Dörfern um den Zhalsee kommt es zu einem Anfall von temporären Irrsinn, wahrscheinlich durch ein Insekt übertragen. Die Bewohner gackern mehrheitlich wie Hühner und führen seltsame Sprünge auf. Nur kurze Zeit später sperren der Bund des Einhorns und die Akademie von Persuna den Bereich großzügig ab. Es spricht eher für Bokuruge als die Akademie, das letztere den Moment nicht nutzt, um daraus Gewinn zu zielen, sondern der Rettung der Menschen deutlichen Vorrang gibt. So kann der Infekt recht bald auf einen Stoff aus einem Labor zurückverfolg werden, auch wenn absolut unklar bleibt, wie er die zweitausend Kilometer Entfernung überbrücken konnte.

Der älteste Elefant in Bokuruge war fast 86 und lag fast den ganzen Tag nur noch in seiner Schlammkuhle, um bequem das Wasser trinken zu können. Zweimal am Tag schleppte sich der schon fast steingraue Riese aus der Kuhle, um etwas von dem Obst zu essen, dass man ihm hingestellt hatte. Er war zwar ein freier Elefant, aber als faktisches lebendes Nationalheligtum fand sich an Fütterung kein Mangel. Er war schon so alt, dass man seinen Namen vergessen hatte. Auf andere hörte er nicht und so nannte man ihn nur den Alten.

Das Fahrrad war kein häufig verwendetes Verkehrsmittel, weswegen das Fahrradrennen mit der gleichen Faszination aus Unverständnis und Staunen betrachtet wurde wie Dattelverkostung jenseits des Polarkreises. Dennoch ließen sich die wenigen Teilnehmer und Sponsoren nicht demotivieren. Am Ende gewann jedoch niemand, weil der Pulk in eine riesige Sammlung von Hühnern gerät und dann vom Weg abkam. Entsprechend musste das Rennen an einem hühnerarmeren Tag wiederholt werden. Vor allem da einige Fahrer und Helfer mit Schnabel- und Krallenwunden erst medizinisch versorgt werden mussten.

Wenn man in den Schulen von Bokuruge von Futuna spricht, dann nimmt es dort den Platz des Teufels ein. Im Gegensatz zur Unerfindlichkeit des Gottes ist der Teufel in gewisser Weise berechenbar. Das Verhältnis wird dabei nicht als Pakt mit dem Teufel beschrieben, sondern eher als in dessen Schatten befindlich, bei dem man vor seinem Übel sicherer ist als der Rest der Menschheit. Wenn natürlich auch nicht völlig, denn es geht darum, sich nicht von seinen Dienern und Versprechungen verführen zu lassen. Diese Haltung ruft bei Blutgeborenen Augenrollen und Amüsement hervor.

Warum waren alle Touristen in Bokuruge entweder Diebe oder Dummköpfe oder beides? War das Bild von Nerica in der Welt wirklich so schlecht, dass jeder dahergelaufene Trottel sie für ungebildet, Opfer oder ungebildete Opfer hielt? Die meisten waren Wilddiebe und wurden dann eben bei Ausflügen dauerhaft vermisst. Einige hatten es auf Geheimnisse aus Futuna abgesehen, aber warum sie glaubten, dass die Boku die Geheimnisse des Teufels kannten, war nicht ergründlich. Andere versuchten in der Hauptdisziplin der Boku einen Betrug durchzuziehen. Wirklich? Und einige kamen, weil sie krasses Elend sehen wollten und gingen dann enttäuscht, weil Strom, Wasser und Netz in jedem Kuhkaff zu bekommen war. Oder flohen, weil die meisten Boku wahrheitgemäßg meinten, dass sie die Seele des Landes dafür an den Teufel verkauft hatten.

Auf Nerica kaufte Bokuruge vor allem Nahrungsmittel und Rohstoffe auf, um sie an den Rest der Hegemonie weiterzugeben. Doch auch industrielle Produkte waren immer mehr gefragt. Zunehmend suchten Partner auch Bokuruge für einen direkten Zugang zur Hegemonie zu umgehen und unterliefen damit den Daseinszweck des Landes in seiner Rolle als Vertreter gegenüber Nerica. Da diese Entwicklungen sich jedoch fortsetzen würden, ging man davon aus, dass die Wirtschaft und Gesellschaft transformiert werden musste und dass auf keinen Fall die Hegemonie das übernehmen sollte. Deren Wirken konnte man ja in Khotso "bewundern".