Sie löst sich von dem faszinierenden Panorama, dass sich bietet, greift in ihre Tasche und reicht ihm ihr privates Pad.
Ihr Blick ruht auf ihm, als sie ihre Gedanken in eine Frage formuliert.
Die Altstadt aus dieser Perspektive ist wahrlich beeindruckend - allerdings meine ich gelesen zu haben, dass Flugzeuge hier normalerweise nicht landen … Hat das eventuell etwas mit deiner Aufgabe zu tun Zhinan?
Sturm 1: Da seine Aufmerksamkeit die ganze Zeit auf ihr lag, ist es unwahrscheinlich, dass er das bemerkt hat. Nur sie hat scheinbar unhöflich während des Gesprächs von ihm weggesehen.
Er runzelt mit der Stirn.
"Was meinst du? Der Luftraum über der Altstadt ist wegen Denkmalschutz und Lärm für gesperrt. Ist das auch wieder eine Eingebung?"
Hafsa war überrascht, dass er offenbar gar nichts mitbekommen hatte, weil er sich so auf ihr Gespräch konzentre hatte. In ihrer Profession musste sie sich nicht nur auf die Aufgabe selbst konzentrieren, sondern auch z.B. ein Gespür und einen Blick für die Stimmung im Raum haben. Sie fragte sich, ob es als Wächter so gut war, wenn man so fokussiert auf etwas war, dass man gar nichts mehr um sich herum mitzubekommen schien - auch wenn man sich damit zu einem sehr höflichen Gesprächspartner qualifizierte.
Oh mir war so, als hätte ich aus dem Augenwinkel die Altstadt gesehen, aber das scheint ja dann. Wahrscheinlich habe ich mich einfach getäuscht.
Für einen Moment scheint es so, als ob ein amüsiertes Funkeln in seinen Augen zu sehen ist, dann ist sein Gesicht wieder das gleiche offene und jugendliche, das sie nun kennt. Das Flugzeug kommt zum Stehen und genau in diesem Moment kommt der nette Flugbegleiter herein, um den beiden beim Gepäck zu helfen.
"Willkommen in Persuna, wir haben noch ein paar Momente, aber dann könnt ihr beiden natürlich zuerst aussteigen. Einen guten Abend und den Segen der Götter wünsche ich euch."
Sie streckt die Hand in seine Richtung aus, um ihr privates Pad wieder zu nehmen.
Ihr Blick verweilt etwas länger auf ihm, als nötig wäre und sie für einen Moment ist der Gedanke in ihrem Kopf, welch interessante Menschen sie in den letzten Tagen doch kennengelernt hat, bis der Flugbegleiter sie unterbricht. Diesem nickt sie zu und wendet sich dann wieder Zhinan zu.
Ich freue mich von dir zu hören.
Sie schnallt sich ab.
"Viel Erfolg bei deinem Auftrag. Grüß Xaxai Anwar und Zaina Bel-Hak von mir. Und wenn du mit Aszanah sprichst, dann frage am besten gleich nach Kaya Saif. Die Treppe, die du suchst, befindet sich westlich und südlich von hier. Wir sehen uns dann in drei Tagen."
Sein Lächeln ist sehr breit und Hafsa einen Moment lang sprachlos, während dem er auf dem Abteil verschwindet und fort bleibt. Der Flugbegleiter sieht sie abwartend an und nickt ihr aufmunternd zu. Dann meint er nur:
"Dir ist schon bewusst, dass man über den Kabinenfunk euer gesamtes Gespräch hören konnte? Oder es auch andere hören konnten, die nahe des Eingangsbereiches stehen und sich konzentrieren? Soll ich dir verraten, warum wir über die Altstadt geflogen sind, oder willst du einfach nur dein Gepäck haben, um diesen Ort so schnell wie möglich zu wechseln?"
Jetzt grinst er frech. Und zwinkert ihr zu.
Hafsa blinzelt einen Moment, dann ist der Mann ihr gegenüber schon aus dem Abteil. Sie schluckt ihren Stolz herunter, als der Flugbegleiter sie anspricht - es gab nun mal keine Anleitung für diese Aufgabe - sie würde durch Versuche und Fehlschläge lernen und dabei versuchen Ihre Fehlschläge so klein zu halten, dass sie nicht ihr Leben kosteten… Vielleicht wollte man sie vorführen, vielleicht aber auch nicht.
Die junge Frau ignorierte die Anmerkung des Flugbegleiters und entschied sich, neben ihrem Gepäck auch seine Antworten mitzunehmen.
Ich würde gern wissen, warum wir über die Altstadt geflogen sind.
Sagt sie, während sie ihr Pad einsteckt, sie würde es sich bei nächster Gelegenheit noch einmal anschauen und nachsehen ob etwas hinterlassen wurde und wenn ja - was.
Der Flugbegleiter tritt ihr aus dem Weg. Sein Gesicht ist auch nur eine Maske der Freundlichkeit. So als würde etwas dahinter lauern.
"Das militärische Mandat wurde aktiviert. Darum ist ein Großteil des Luftraums gesperrt worden. Es scheint sich allerdings nur um eine Routineübung zu handeln."
Sturm 1: Ist das Bedauern in seiner Stimme?
Dann hoffe ich doch, dass es nicht nur so scheint.
Der Mann jagt ihr einen Schauder über den Rücken und sie unterdrückt den Impuls über ihre Oberarme zu reiben, um Gänsehaut zu vertreiben.
Ich würde dann gerne mein Gepäck holen…
"Kann ja noch werden. Aber ja, die Klappe ist offen. Gute Reise. Mit ein wenig Glück sehen wir uns nicht mehr. Wieviel Glück hast du so im Durchschnitt?"
Mit diesen seltsamen und auch ein wenig unheilvollen Bemerkung öffnet er den Gepäckstauraum und tritt dann bei Seite. Sollte Hafsa das Flugzeug dann verlassen wollen, so wird sie diesmal nicht an den anderen vorbeigeleitet, sondern ist gleich beim Schlauch. Die Ersparnis der Kontrollen ist weniger entscheidend, denn der Flughafen ist erwartbar brechend voll. Wahrscheinlich sogar voller als sonst, weil so viele Flieger umgeleitet werden müssen.
Sie schaut ihn an, auf ihren Lippen ein Lächeln, ihre Augen kühl.
In relevanten Situationen hatte ich bisher durchaus Glück, immerhin stehe ich gerade noch vor dir. Ich hoffe, dass es nicht vonnöten sein wird, in Bezug auf bestimmte Begegnungen - so unangenehm sie vielleicht im ersten Moment scheinen. Jede Begegnung hat doch das Potenzial, dass man daran wächst, oder?
Damit greift sie ihre Sachen, die sie definitiv zeitnah auf Sender und Technik jeder Art untersuchen lassen wird und lässt sich von der Menge ein bisschen treiben. Dabei hält sie Ausschau nach Halle 12b, das Pad weiter fest im Griff, wirbeln ihre Gedanken wild in ihrem Kopf.
"Dann tröste dich, Hafsa, dein Potential ist noch am Entfalten."
So seine Abschiedsworte.
Nach einigem Suchen am Flughafen findet sie an der digitalen Übersichtskarte an einem Bildschirm den Hinweis, dass sie wohl noch zwanzig Minuten wie ein Esel bepackt durch die Hallen rennen muss. Aber das ist wohl bei normalem Verkehr. Bei dem Chaos wird es wohl noch länger dauern. Zwischendrin findet sie auch einige Einheiten von Parshans, einige scheinbar frisch von der Ausbildung, die an neuralgischen Punkten Wache stehen und damit Umwege nötig machen. Die Übung ist wohl noch nicht vorbei.
Sie atmet tief durch und steckt sich eine Strähne hinters Ohr, während sie immer wieder auf die Schilder und Durchsagen achtet, damit sie nicht an einem völlig falschen Ort landet. Ihr Gepäck schneidet zunehmend in ihre Schultern, aber sie beißt die Zähne zusammen und nähert sich ihrem Ziel. Dabei lässt sie ihren Blick auch immer wieder durch die Menge schweifen, was sie eventuell weiter verlangsamt, aber auch potenziell unangenehme Überraschungen verhindert. Die Worte des Wächters und des Flugbegleiters hallen noch nach - welche spannenden Begegnungen lagen wohl noch vor ihr?
Als sie in der Halle ankommt, bleibt sie an einem Ort stehen, wo sie diese gut überblicken kann und sucht nach einem Mann mit weißer Schirmmütze.
Das könnte ein ernsthaftes Problem werden, denn sie sieht drei junge Männer mit Schirmmützen, die sich sehr genau gegenseitig im Blick haben, so als würden sie ein unsichtbares Duell ausfechten. Alle zeichnen sich durch einen sportlichen Bau aus, aber nur einer von ihnen hat auch das Aussehen bekommen, ohne etwas mehr tun zu müssen, bewundernde und neidvolle Blicke anzuziehen. Einer von ihnen hat einen schwarzen Koffer bei sich, die anderen haben Rucksäcke. Die Leute in ihrer Umgebung scheinen sich richtig unangenehm zu fühlen, so geladen ist die Atmosphäre.
Finsternis 3: Vielleicht wäre es besser, das hier sein zu lassen und lieber draußen mit Xaxai Rücksprache zu halten?
Sie checkt ihr Pad, ob Xaxai noch ihre Rede hält. Wenn dem noch so sein sollte, wird sie sich einen Tee bestellen und entspannt abwarten. Als erstes stellt sie ihr Gepäck direkt vor sich ab und reibt sich unauffällig die schmerzende Schulter. Eigentlich hatte sie gedacht nur wenig mitgenommen zu haben - aber nach der Tour durch den Flughafen hatte sie den Eindruck Ziegelsteine eingepackt zu haben.
Mit einem Bluck über ihr Pad checkt sie kurz, ob wirklich alle Männer auch eine weiße Schirmmütze tragen und vielleicht einer von ihnen etwas trägt, dass ihn als Teil des Konzerns ausweist.
Wenn sie die Ausdauer von Xaxai beim Reden und die der Leute, welcher diese anhören müssen, besitzen würde, könnte sie wahrscheinlich jeden Auftrag lösen. Obwohl beim Anschauen schon auffällt, dass der Hohe Rat schon merklich leerer ist und zum Teil andere Leute da sitzen. Ganz anders verhält es sich bei den Schirmmützenleuten, die haben alle die gleiche auf. Abgesehen davon scheint niemand groß Werbung für irgendwelche Konzerne machen zu wollen. Das wäre allerdings auch ein krasser Verstoß gegen das Blutgesetz, welche die komplette Werbung der Stiftung Persuna unterstellt. Bei deren Ruf hat sie Werbung auch bitter nötig.
Sie sucht sich einen Platz, legt das Pad vor sich ab, auf dem die Rede der Sprecherin lautlos läuft. Hafsa wirft immer wieder einen Blick darauf, während sie den Tee genießt, den sie organisiert hat. Außerdem hat sie ihr Notizbuch aufgeschlagen und arbeitet scheinbar an dem letzten Stück was sie geschrieben hat. Kurz überlegt sie, ob sie den Betreffenden einfach ausrufen lassen sollte, entscheidet sich aber dagegen. Ihr Blick wandert nicht nur zu dem Pad sondern auch immer wieder zu den Männern - irgendwie wirken sie wie Hunde, die ihr Revier markieren und verteidigen… Der Gedanke lässt sie kurz schmunzeln.
Nach einer Weile sehen sich die Männer an und gehen achselzuckend auseinander, sich immer streng im Blick behaltend. Jeder verlässt die Halle in eine andere Richtung und Hafsa bleibt dort allein zurück. Nur begleitet von den stummen Lippenbewegungen Xaxai Anwars.
Welch ein absurdes Schauspiel. Hafsa sucht im Datenpad nach einem Übersichtsplan des Flughafens und dem Standort der Information. Nochmals wägt sie ihre Optionen ab.
Letztlich entscheidet sie sich Xaxai eine Nachricht zu schicken mit einer groben Schilderung der Situation und der Frage, ob sie warten soll, oder aktiv werden?
Wie um sie zu ärgern ist in den umliegenden Hallen jeweils ein Infostand. Auch hier müsste sie sich für eine Richtung und damit einen der Männer entscheiden. Wenigstens ruft Xaxai Anwar zurück, obwohl sie laut Anzeige mitten in einer Rede ist. Das ist sicher eine gute Wahl, entweder zwischen Aufschneidern, dem echten Kontaktmann sowie einer potentiellen Anomalie entscheiden zu müssen ohne konkrete Ansätze zu haben.
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